Der Schutz des Vertragspartners vor unangemessener Benachteiligung durch die AGB des Verwenders ruht auf vier Säulen: um wirksamer Vertragsbestandteil zu werden
- dürfen AGB nicht durch vorrangige Individualvereinbarungen verdrängt werden (→ 2);
- müssen AGB in den Vertrag einbezogen worden sein (→ 3);
- dürfen AGB nicht überraschend oder mehrdeutig sein (→ 4.1.);
- dürfen AGB nicht gegen die Generalklausel des § 307 BGB oder eines der Verbote aus den Katalogen der §§ 308 und 309 BGB verstoßen (→ 4.2.).
Die inhaltliche Kontrolle ist dabei auf solche Klauseln beschränkt, mit denen vertraglich von gesetzlichem, dispositivem Recht abgewichen wird. Eine AGB, die lediglich den Wortlaut des Gesetzes wiederholt, kann ebensowenig am Maßstab der §§ 307 ff. BGB gemessen werden wie eine solche, die lediglich die Leistung beschreibt oder unmittelbar den Preis bestimmt.
Nicht der AGB-Inhaltskontrolle unterliegen deshalb vorformulierte Regelwerke wie Baubeschreibungen, Kataloge, Prospekte, technische Normen, Festlegungen zum Umfang einer Garantie oder einer Wartungsleistung, Preisvereinbarungen.
Auch Leistungsbeschreibungen und Preisvereinbarungen müssen, um Geltung zu erlangen, wirksam in den Vertrag einbezogen werden, sie unterliegen dem Vorrang der Individualabrede und können gegen das Transparenzgebot verstoßen: Sind solche Bestimmungen unklar, unverständlich oder widersprüchlich, kann auch dies zu ihrer Unwirksamkeit führen.
4.1 Überraschende und mehrdeutige Klauseln
4.1.1 Überraschende Klauseln
Bestimmungen in AGB, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders nicht mit ihnen zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil (§ 305c Abs. 1 BGB). In der Folge bleibt der Vertrag ohne die überraschende Klausel bestehen, an deren Stelle das dispositive Gesetzesrecht tritt (§ 306 BGB).
Der Klausel muss ein Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt innewohnen, das heißt, zwischen ihrem Inhalt und den Erwartungen eines Durchschnittskunden muss ein deutlicher Widerspruch bestehen. Der Verwender hat die Möglichkeit, einer ungewöhnlichen Klausel den Überraschungseffekt zu nehmen, indem er einen sehr deutlichen Hinweis, z. B. durch eine fette Überschrift gibt und gleichzeitig aufzeigt, wie normalerweise die gesetzliche oder sonst vertragstypische Alternativ-Regelung aussähe.
Beispiele für überraschende Klauseln
In einem Vertrag über die Erstellung eines Schadensgutachtens nach einem Verkehrsunfall ist eine Vereinbarung überraschend, nach der der Geschädigte zur Sicherung des Honoraranspruchs des Sachverständigen seine Schadensersatzansprüche gegen Fahrer, Halter und Haftpflichtversicherer abtreten soll.
In den umfangreichen AGB eines Anzeigenblatts ist an versteckter Stelle geregelt, dass die vom Kunden bestellte Anzeige in 11 weiteren Ausgaben des Blatts erscheinen soll. Eine solche Regelung ist für den Anzeigenkunden ungewöhnlich und angesichts der versteckten Wiedergabe in den komplexen AGB überraschend.
- Wird eine Leistung üblicherweise ohne gesonderte Vergütung angeboten, z. B. der Grundeintrag in ein Internet-Branchenverzeichnis, so ist eine Entgeltklausel überraschend und damit unwirksam, die nach der drucktechnischen Gestaltung des Antragsformulars so unauffällig in das Gesamtbild eingefügt ist, dass sie von dem Vertragspartner des Klauselverwenders dort nicht vermutet wird.
- Wird eine bestimmte Materialstärke als Beschaffenheit vereinbart, ist eine Regelung, die Abweichungen von bis zu 15 % zulässt, überraschend. Eine solche Klausel wird auch im kaufmännischen Geschäftsverkehr nicht Vertragsbestandteil.
- Wird ein Vertragsverhältnis online geschlossen und im Rahmen der Abwicklung ausschließlich elektronisch kommuniziert, können Klauseln, die für Anzeigen oder Erklärungen des Kunden die Schriftform vorschreiben, überraschend und damit unangemessen sein.
Eine Klausel, nach der im Fall eines Diebstahls das versicherte Fahrzeug in das Eigentum des Versicherers übergeht, wenn es nicht binnen einer Frist wieder herbeigeschafft wird, ist in einer speziellen Oldtimer-Versicherung – anders als bei Versicherungsverträgen über gewöhnliche Fahrzeuge – überraschend.
Eine Klausel in den AVB einer Wohngebäudeversicherung "Die Mehrwertsteuer wird nicht ersetzt, wenn der Versicherungsnehmer vorsteuerabzugsberechtigt ist; das Gleiche gilt, wenn der Versicherungsnehmer Mehrwertsteuer tatsächlich nicht gezahlt hat." ist wirksam und nicht überraschend.
- Die fomularmäßige Verpflichtung eines Gewerbetreibenden, als Mieter in einem Einkaufszentrum einer Werbegemeinschaft als Pflichtmitglied beizutreten, wurde hingegen als nicht überraschend eingestuft.
Ebenfalls nicht als überraschend wird die formularmäßige Vereinbarung eines Vormietrechts in einem Gewerbemietvertrag angesehen.
Nicht als überraschend, weil verbreitet, ist auch eine Altersgrenzenregelung im Arbeitsvertrag unter der Überschrift "Beendigung des Arbeitsverhältnisses".
- Gleiches gilt für Ausschlussfristklauseln in Formulararbei...