5.1 Derzeitige Gesetzeslage
Sind AGB ganz oder teilweise nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden, oder zwar Vertragsgegenstand geworden, aber wegen eines Verstoßes gegen die §§ 307 ff. BGB unwirksam, bleibt die Wirksamkeit des Vertrags im Übrigen davon unberührt, § 306 BGB. An die Stelle der nicht einbezogenen oder unwirksamen Regelung tritt die gesetzliche Regelung. Gibt es keine passenden gesetzlichen Ersatzregeln, kann die Lücke mit Hilfe der ergänzenden Vertragsauslegung gefüllt werden. Der BGH stellt hier regelmäßig die Frage, welche Ersatzlösung die Parteien bei einer angemessenen, objektiv generalisierenden Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart hätten.
Eine AGB, die gegen eines der Klauselverbote verstößt, bleibt nicht in dem Umfang wirksam, in dem sie mit den §§ 307 ff. BGB noch vereinbar wäre. Sie ist vielmehr im Ganzen unwirksam. Dieser, in der Rechtsprechung als "Verbot der geltungserhaltenden Reduktion" bekannte Grundsatz führt dazu, dass der Verwender, dessen Klausel den Vertragspartner unangemessen benachteiligt, nicht auf das "gerade noch angemessene", sondern auf das gesetzliche Niveau zurückfällt.
Im Fall des obigen Beispiels einer unzulässigen Haftungsbegrenzung hat das zur Folge, dass der Verwender uneingeschränkt für alle Fälle des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit seiner gesetzlichen Vertreter, Mitarbeiter und Erfüllungsgehilfen haftet.
Der BGH lässt aber die Zerlegung in einen inhaltlich zulässigen und einen inhaltlich unzulässigen Teil zu, wenn der unwirksame Teil der Klausel gestrichen werden kann, ohne dass der Sinn des anderen Teils darunter leidet. Das ermitteln Gerichte durch den sogenannten Blue Pencil Test, indem der unwirksame Teil der Klausel gestrichen wird und dann beurteilt wird, ob der Rest der Regelung noch einen Sinn ergibt.
Nur selten und ausnahmsweise führt die Unwirksamkeit einer AGB zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrags. So liegt es, wenn ein Festhalten am Vertrag bei Anwendung der gesetzlichen Regelung anstelle der unwirksamen AGB eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde, § 306 Abs. 3 BGB.
Die Verwendung unwirksamer AGB kann darüber hinaus zur Schadensersatzpflicht des Verwenders nach den Grundsätzen eines Verschuldens bei Vertragsschluss führen (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB).
Auch Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag und Bereicherung kommen in Betracht, wenn der Vertragspartner im Hinblick auf eine unwirksame AGB nicht geschuldete Leistungen an den Verwender erbringt.
Diese Regeln gelten unterschiedslos sowohl für Verbraucherverträge auch im unternehmerischen Verkehr.
5.2 EuGH Rechtsprechung rüttelt kräftig an § 306 Abs. 2 BGB
Am 7.8.2018 hat der EuGH in einem Urteil zu Art. 6 und 7 der Richtlinie 93/13/EWG klar auf deren Ziele verwiesen, nämlich,
- dass missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen für den Verbraucher unverbindlich sind und
- dass das nationale Recht wirksame Mittel vorsehen muss, damit der Verwendung solch missbräuchlicher Klauseln ein Ende gesetzt wird.
Das heißt nach dem Verständnis des EuGH,
- dass die missbräuchliche Klausel grundsätzlich ersatzlos zu streichen ist.
- Nur in den Fällen, in denen der Wegfall der Klausel zur Unwirksamkeit des ganzen Vertrags führen würde und sich dies als Bestrafung des Verbrauchers darstellt,
- darf das dispositive Inlandsrecht als Ersatzrecht zur Anwendung kommen.
Der EuGH bleibt auch bei seinen jüngsten Entscheidungen dieser Linie treu und geht noch einen Schritt weiter. Ist die Rechtsfolge die Nichtigkeit des gesamten Vertrags und hat der Verbraucher dies nach Information und Aufklärung über die Nichtigkeitsfolge akzeptiert, darf ein Gericht die Klauseln nicht zur Vertragsaufrechterhaltung abändern.
Das bedeutet, dass insbesondere § 306 Abs. 2 BGB eigentlich nicht mehr angewendet werden darf. Die Ersetzungspraxis des BGH müsste nun eigentlich ihr Ende finden.
Noch im Jahr 2016 hatte der BGH im Fall einer Preisanpassungsklausel für sich entschieden, dass die Ersetzung einer missbräuchlichen Klausel durch eine dispositive nationale Vorschrift mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG im Einklang steht.
Bis dato geht der BGH diesen Weg der Lückenfüllung auch nach 2018 unbeirrt weiter. In einer Entscheidung aus 2019 beispielsweise bestätigt er wiederum die Konformität mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG.
In einem Urteil zu Preisanpassungsklauseln in Fernwärmelieferungsverträgen wendet der BGH die Blue Pencil Methode an. In diesem Fall hieß das, dass die Unwirksamkeit einer Preiskomponente die übrigen Preisbestandteile nicht tangiert, wenn es sich – wie im Regelfall – um inhaltlich voneinander trennbare Vertragsklauseln handelt.
Auch die Entscheidung, dass die gesetzliche Vergütung als vereinbart gilt, nachdem die anwaltliche Vergütungsverei...