Die unionsrechtliche Haftung der Mitgliedsstaaten ist nicht ausdrücklich geregelt, d. h. eine unmittelbare ausdrückliche Rechtsgrundlage für einen Anspruch von Privaten gegen die Mitgliedsstaaten der EU auf Ersatz der Schäden, die ihnen aus Unionsrechtsverstößen der Mitgliedsstaaten erwachsen, kennt das Unionsrecht nicht.
Der EuGH stützt die gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung auf den allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, nach dem die Mitgliedsstaaten zum Ersatz der Schäden verpflichtet sind, die dem einzelnen Gemeinschaftsbürger durch ihnen zurechenbare Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen. Diese Verpflichtung wird aus dem Erfordernis der Gewährleistung voller Wirksamkeit gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen hergeleitet. Diese wäre beeinträchtigt und der Schutz der sie begründenden Rechte gemindert, wenn die Bürger der EU-Mitgliedsstaaten nicht die Möglichkeit hätten, eine Entschädigung zu verlangen, wenn sie durch einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht eine Rechtsverletzung erleiden. Staatshaftung kann durch das Handeln aller Staatsorgane ausgelöst werden, insbesondere auch durch solches des Gesetzgebers oder eines Richters. Der unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch ist nach Tatbestand und Rechtsfolge nicht kodifiziert. Er unterliegt daher in besonderem Maße der Rechtsschöpfung und Fortbildung durch den EuGH. Damit ein Haftungsanspruch gegen den Mitgliedsstaat geltend gemacht werden kann, müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:
- Verstoß eines Mitgliedsstaats gegen eine individualschützende Unionrechtsnorm, d. h. Verleihung von Rechten an Einzelne (Vermittlung eines subjektiven Rechts durch Drittbezogenheit), wobei es ausreichend ist, dass betreffende Recht erst künftig vorliegen wird,
- Bestimmbarkeit der Rechte auf der Grundlage der Richtlinie (Mindestmaß der gebotenen Begünstigung muss sich konkretisieren lassen, d. h. hinreichende Qualifizierung des Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht), wobei es entscheidend darauf ankommt, inwieweit ein Mitgliedsstaat die Grenzen, die seinem Ermessen durch das Unionsrecht gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat,
- Kausalzusammenhang zwischen dem Verstoß gegen die Umsetzungspflicht und dem eingetretenen Schaden, wobei das haftungsbegründende Ereignis bei einem gewöhnlichen Verlauf nach der Prognose eines erfahrenen Beobachters geeignet sein muss, den Schaden herbeizuführen. Der Anspruchsteller ist darlegungs- und beweisbelastet für die unmittelbare Ursächlichkeit des rechtswidrigen Verhaltens für den Schaden, sodass Zweifel zu seinen Lasten gehen.
Der Anspruch ist verschuldensunabhängig. Anspruchsgegner ist stets der Träger derjenigen staatlichen Stelle, die für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Zusätzlich haftet, ggf. subsidiär, der jeweilige Gesamtstaat.
5.1 Haftung der EU-Staaten für nicht umgesetzte Richtlinien
Der EuGH hat mit der Haftung eines Mitgliedsstaats bei nicht fristgerechter Umsetzung einer Richtl...