Leitsatz
Die Härteausgleichsregelungen in § 46 Abs. 3 und 5 EStG 2009 sind aus Gleichbehandlungsgründen analog bei solchen Arbeitnehmern anzuwenden, die mit ihrem von einem ausländischen Arbeitgeber bezogenen Arbeitslohn im Inland unbeschränkt steuerpflichtig sind und mangels Vornahme eines LSt-Abzugs nicht gemäß § 46 EStG 2009, sondern nach der Grundnorm des § 25 Abs. 1 EStG 2009 zu veranlagen sind (Anschluss an BFH-Urteile vom 7.8.1959, VI 299/57 U, BStBl III 1959, 462 und vom 10.1.1992, VI R 117/90, BStBl II 1992, 720, jeweils zu einem in der Schweiz beschäftigten Grenzgänger).
Normenkette
§ 25 Abs. 1, § 46 Abs. 3 und 5 EStG 2009, § 70 EStDV 2000, Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/1992
Sachverhalt
Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2010 im Inland wohnten und zusammen zur ESt veranlagt wurden. Der Kläger war bei der in der Schweiz ansässigen X-AG nicht selbstständig tätig. Er erzielte im Streitjahr einen "Bruttolohn total" i.H.v. 166.248 CHF. Die X-AG behielt vom Bruttolohn gemäß Art. 15a Abs. 1 Sätze 2 und 3 DBA-Schweiz 1971/1992 4,5 % Quellensteuer ein und führte diese an die Eidgenössische Steuerverwaltung ab. Die Abführung erfolgte monatlich.
Die Klägerin erzielte aus ihrer in Deutschland ausgeübten nicht selbstständigen Tätigkeit als Ärztin insgesamt einen Bruttoarbeitslohn von 67.415 EUR. Von diesen Einnahmen wurde LSt von insgesamt 11.323 EUR einbehalten und an das zuständige Betriebsstätten-FA abgeführt. Im Übrigen bezog die Klägerin noch Einkünfte aus selbstständiger Arbeit i.H.v. 243 EUR.
Des Weiteren erzielten die Kläger gemeinsam je zur Hälfte Einnahmen aus Kapitalvermögen i.H.v. insgesamt 1.816,23 EUR. Diese Kapitalerträge unterlagen dem inländischen Steuerabzug. Es wurde jeweils KapESt und SolZ einbehalten.
Gegen den für das Streitjahr ergangenen ESt-Bescheid legten die Kläger Einspruch ein und machten hierbei geltend, dass das FA zu Unrecht den erweiterten Härteausgleich gemäß § 46 Abs. 5 EStG i.V.m. § 70 EStDV nicht durchgeführt habe. Bei Anwendung des (erweiterten) Härteausgleichs vermindere sich das zu versteuernde Einkommen um 363 EUR. Damit konnten die Kläger jedoch nicht durchdringen, weil sich das FA auf eine Passage im sog. Grenzgängerhandbuch der Baden-Württembergischen Finanzverwaltung (dort Fach B Teil 3 Nummer 1 Tz. 2) berief, wonach der Härteausgleich in einem Fall wie dem vorliegenden nicht zu gewähren sei. Die dagegen erhobene Klage war erfolgreich (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.4.2013, 3 K 2356/12, Haufe-Index 6426700, EFG 2014, 1316).
Entscheidung
Der BFH sah das ebenso wie das FG. Einzelheiten ergeben sich dazu aus den Praxis-Hinweisen.
Hinweis
Das BMF hat den BFH darum gebeten, diese Entscheidung nachträglich "amtlich" zu veröffentlichen. Dem wurde entsprochen. Der BFH hatte ihm offenbar nicht eine derart große Bedeutung beigemessen und nicht zuletzt deswegen durch "einfachen" Beschluss gemäß § 126a FGO erkannt. Dieser betrifft einmal mehr die Besteuerung der sog. Grenzgänger, hier zur Schweiz:
1. Besteht das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist, so wird eine Veranlagung nur bei Vorliegen der in § 46 Abs. 2 Nrn. 1 bis 8 EStG aufgeführten besonderen Voraussetzungen durchgeführt. So ist nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 EStG etwa dann zu veranlagen, wenn die positive Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, mehr als 410 EUR beträgt. Liegen die besonderen Voraussetzungen nicht vor, dann unterbleibt eine Veranlagung (§ 25 Abs. 1 letzter Halbs. EStG).
2. In denjenigen Fällen, in denen nach § 46 Abs. 2 EStG die Veranlagung durchzuführen ist, ist gemäß § 46 Abs. 3 Satz 1 EStG ein Betrag in Höhe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, von denen der Steuerabzug vom Arbeitslohn nicht vorgenommen worden ist, vom Einkommen abzuziehen, wenn diese Einkünfte insgesamt nicht mehr als 410 EUR betragen (sog. Härteausgleich). Betragen diese Einkünfte in den Fällen des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG mehr als 410 EUR, dann kann durch eine Rechtsverordnung die Besteuerung so gemildert werden, dass auf die volle Besteuerung dieser Einkünfte stufenweise übergeleitet wird (§ 46 Abs. 5 EStG, sog. erweiterter Härteausgleich).
Von dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber Gebrauch gemacht und zum Ausgleich von Härten in § 70 EStDV Folgendes geregelt:
Betragen in den Fällen des § 46 Abs. 2 Nrn. 1 bis 7 EStG die einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, von denen der Steuerabzug vom Arbeitslohn nicht vorgenommen worden ist, insgesamt mehr als 410 EUR, so ist vom Einkommen der Betrag abzuziehen, um den die bezeichneten Einkünfte, vermindert um den auf sie entfallenden Altersentlastungsbetrag (§ 24a EStG) und den nach § 13 Abs. 3 EStG zu berücksichtigenden Betrag, niedriger als 820 EUR sind (Härteausgleichsbetrag). Der Härteausgleichsbetrag darf nicht höher sein als die nach Satz 1 verminderten Einkünfte.
3. Ausgangspunkt der Härtefallregelung...