Leitsatz
1. Ein ausdrücklich so bezeichneter "Erbschaftsteuerbescheid" für einen Erwerb von Todes wegen schließt nach seinem objektiven Erklärungsinhalt eine zusammenfassende Steuerfestsetzung für weitere Erwerbe (Vorschenkungen) aus.
2. Der "Erbschaftsteuerbescheid" ist wegen Verstoßes gegen § 14 Abs. 1 ErbStG rechtswidrig, soweit seine Steuerfestsetzung auf einer Zusammenrechnung des Werts des Erwerbs von Todes wegen mit dem Wert der Vorschenkungen beruht, ohne einen Steuerabzug für die früheren Erwerbe (Vorschenkungen) vorzunehmen.
Normenkette
§ 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG (bis Ende 1995), § 119, § 157 AO
Sachverhalt
Der Kläger erhielt beim Tod seiner 1993 verstorbenen Mutter (M) den Pflichtteil. Noch zu Lebzeiten hatte ihm M einen Geldbetrag und 1991 "das ihr gehörige bebaute Grundstück" in den neuen Bundesländern geschenkt. Das FA erließ gegen den Kläger einen "Erbschaftsteuerbescheid". Dabei erfasste es als Erwerb von Todes wegen den Pflichtteil und rechnete dem als Vorerwerbe den Geldbetrag sowie den Wert des nach dem Tod der M an den Kläger zurückübertragenen Grundstücke hinzu. Den Ansatz eines Anrechnungsbetrags nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG (i.d.F. bis Ende 1995) unterließ es.
Das FG gab der Klage insofern statt, als es zwar mit dem FA annahm, Gegenstand der Zuwendung im Jahr 1991 sei nicht der Rückübertragungsanspruch gewesen, sondern das Grundstück, aber der Ansicht war, diese Grundsstücksschenkung sei erst mit der Entscheidung des Amts für offene Vermögensfragen – und damit erst nach dem Tod der M – ausgeführt worden. Daher stelle sie kein Vorerwerb dar. Dagegen wandte sich das FA mit der Revision und vertrat nunmehr die Auffassung, Gegenstand der Zuwendung im Jahr 1991 sei der Rückübertragungsanspruch gewesen.
Entscheidung
Die Revision hatte teilweise Erfolg. Auch nach Auffassung des BFH war Gegenstand der Zuwendung im Jahr 1991 der Rückübertragungsanspruch; gleichwohl war die vom FA festgesetzte Steuer herabzusetzen, weil gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. noch die Steuer abzuziehen war, die für die beiden Vorerwerbe zur Zeit des Pflichtteilserwerbs zu erheben gewesen wäre.
Hinweis
1. Die Regelung in § 14 Abs. 1 ErbStG – und zwar sowohl in der bis Ende 1995 als auch in der ab 1996 geltenden Fassung – dient nur der Berechnung der Steuer für den letzten Erwerb und damit nur der Besteuerung eines einzigen Erwerbs. Soweit dabei zur Berechnung der Steuer für den letzten Erwerb Vorerwerbe zu berücksichtigen sind, hat dies stets in zweifacher Weise zu geschehen. Zunächst sind dem letzten Erwerb die Vorerwerbe hinzuzurechnen, und zwar nach ihren früheren Werten. Sodann ist von der Steuer für den Gesamtbetrag die Steuer abzuziehen, die für die Vorerwerbe zur Zeit des letzten Erwerbs fiktiv zu erheben wäre. Dabei ist unerheblich, ob für die Vorerwerbe bereits eine Steuer festgesetzt worden ist oder nicht.
2. Stellt sich bei der Besteuerung des letzten Erwerbs heraus, dass gem. § 14 Abs. 1 ErbStG Vorerwerbe zu berücksichtigen sind, für die noch keine Steuer festgesetzt wurde, kann diese Besteuerungslücke nicht im Rahmen des § 14 ErbStG bei der Besteuerung des letzten Erwerbs dadurch gefüllt werden, dass der Abzug der fiktiv zu errechnenden Steuer auf die Vorerwerbe unterlassen wird. Vielmehr ist zu prüfen, ob die bislang unterbliebene Steuerfestsetzung für die Vorerwerbe noch mittels eigener Steuerfestsetzungen nachgeholt werden kann – d.h. insbesondere, ob die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Dabei ist § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO zu beachten.
Ist danach eine Steuerfestsetzung für einen oder mehrere Vorerwerb(e) noch möglich, können diese Steuerfestsetzungen theoretisch mit der nach § 14 Abs. 1 ErbStG vorzunehmenden Steuerfestsetzung für den letzten Erwerb in einem Bescheid verbunden werden, der dann für jeden Erwerb eine getrennte Steuerfestsetzung enthalten müsste und als Erbschaft- und Schenkungsteuerbescheid zu kennzeichnen wäre. Von einem solchen zusammenfassenden Bescheid kann aber nicht dringend genug abgeraten werden, weil er nur schwer so klar zu formulieren ist – z.B. hinsichtlich der erfassten Sachverhalte –, dass er den Bestimmtheitsanforderungen des § 119 Abs. 1 AO genügt. Soll die Besteuerung für mehrere Erwerbe nachgeholt werden, ist beim zweiten und gegebenenfalls dritten Vorerwerb usw. § 14 ErbStG zu beachten.
3. Der erste Leitsatz ist durch eine verfehlte Auslegung des angefochtenen Steuerbescheids durch das FG veranlasst. In dem "Erbschaftsteuerbescheid" waren zwei Vorerwerbe berücksichtigt worden, die ihrerseits noch nicht besteuert worden waren. Überdies war entgegen § 14 Abs. 1 ErbStG ein Abzug der (fiktiv) zu errechnenden Steuer für die Vorerwerbe unterblieben. Daraus folgerte das FG, bei dem angefochtenen Bescheid handle es sich um einen Bescheid, mit dem alle drei Erwerbe (ein Erwerb von Todes wegen und zwei Schenkungen) hätten besteuert werden sollen.
Wäre diese Auslegung des Bescheids zutreffend gewesen hätte dies seine Nichtigkeit wegen fehlender Bestimmtheit i.S.d. § 119 Abs. 1 AO ...