Leitsatz
Für einen wirksamen Verböserungshinweis gemäß § 367 Abs. 2 Satz 2 AO ist es erforderlich, dass dieser gegenüber dem Einspruchsführer abgegeben wird.
Sachverhalt
Der Antragsteller strebte in einem anderen Verfahren die Anerkennung von Schuldzinsen als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen an. Bei der Klage handelte sich um eine Untätigkeitsklage nach § 46 FGO. Im Verlauf des Verfahrens wies dabei das beklagte Finanzamt in einem Schriftsatz an das Gericht darauf hin, dass zwar die Werbungskosten dem Grunde nach anzuerkennen seien, jedoch lediglich in einer Höhe, die letztlich zu einer höheren Einkommensteuer für den Kläger führen würde. Demgemäß setzte das Finanzamt eine höhere Einkommensteuer fest und wies den Einspruch zurück. Gleichzeitig wurde die gewährte Aussetzung der Vollziehung aufgehoben. Hiergegen wandte sich der Antragsteller und beantragte, die Aussetzung der Vollziehung wieder herzustellen, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Finanzverwaltung bestünden.
Entscheidung
Das Finanzgericht gewährte die beantragte Aussetzung der Vollziehung. Bei der gebotenen summarischen Prüfung kam es zu der Ansicht, dass der angefochtene Einkommensteuerbescheid in Gestalt der verbösernden Einspruchsentscheidung ernstlichen rechtlichen Zweifeln unterliegen würde. Diese leide nämlich unter einem wesentlichen Verfahrensmangel, da der nach § 367 Abs. 2 AO erforderliche Verböserungshinweis nicht wirksam erfolgt sei. Es müsse nämlich hierfür wirksam zum Ausdruck gebracht werden, dass die Einspruchsentscheidung auch zu einem für den Steuerpflichtigen ungünstigerem Ergebnis führen könne als der angefochtene Bescheid. Dieser Verböserungshinweis müsse gegenüber dem Steuerpflichtigen erfolgen, da er nur dann die Möglichkeit habe, seine Rechtsauffassung zu überdenken. Hier jedoch sei der Verböserungshinweis gegenüber dem Finanzgericht erfolgt, so dass ein wesentlicher Verfahrensmangel gegeben sei.
Hinweis
Die Entscheidung der FG des Saarlandes lenkt das Augenmerk auf die Bestimmung des § 367 Abs. 2 Satz 2 AO. Bekanntlich ist gemäß § 367 Abs. 2 Satz 1 AO die Finanzverwaltung in einem außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren befugt, die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Will hierbei das Finanzamt den angefochtenen Verwaltungsakt zum Nachteil des Steuerpflichtigen ändern, hat es hierauf unter Angabe der Gründe hinzuweisen und dem Steuerpflichtigen auch Gelegenheit zu geben, sich hierzu zu äußern. Dieser sog. Verböserungshinweis ist Ausfluss des Rechts des Steuerpflichtigen auf Gehör und ermöglicht es ihm, den Einspruch zurückzunehmen, um der Verböserung zu entgehen (vlg. Dumke, in: Schwarz, AO, § 367 AO Tz. 30a; zum erforderlichen Inhalt des Verböserungshinweises s. Tz. 32). Unterbleibt der Verböserungshinweis, stellt dies wie in der Entscheidung des FG des Saarlandes einen Verfahrensfehler dar. Zu beachten ist indes, dass nach der h.M. das Unterbleiben eines Verböserungshinweises dann unschädlich ist, wenn eine Änderungsmöglichkeit nach allgemeinen Korrekturbestimmungen möglich war (vgl. Dumke, in: Schwarz, AO, § 367 AO Tz. 28b). Dies gilt insbesondere für eine Steuerfestsetzung, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO erfolgt ist (vgl. BFH, Urteil v. 10.11.1989, VI R 124/88, BStBl 1990 II S. 414; BFH, Urteil v. 10.1999, I B 156/98, BFH/NV 2000 S. 545; a.A. Tipke, in: Tipke/Kruse, AO und FGO, § 367 AO Tz. 27). In jedem Fall sollte in Fällen einer Verböserung geprüft werden, ob ein wirksamer Verböserungshinweis durch die Finanzverwaltung erfolgt ist.
Link zur Entscheidung
FG des Saarlandes, Beschluss vom 19.03.2008, 2 V 1039/08