Leitsatz
1. Der Unternehmer kann für eine in einem anderen Mitgliedstaat erbrachte steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung im Inland keinen Anspruch auf Steuerminderung geltend machen.
2. Gewährt der Unternehmer einem Endverbraucher anlässlich einer ersten Lieferung für eine an ihn erbrachte Leistung eine Aufwandsentschädigung, die der Endverbraucher zum verbilligten Bezug einer Ware vom Unternehmer im Rahmen einer zweiten Lieferung verwendet, setzt sich die Bemessungsgrundlage für die zweite Lieferung aus der (um die Aufwandsentschädigung verminderten) Zahlung und dem Betrag der Aufwandsentschädigung zusammen.
Normenkette
§ 10, § 17 UStG, Art. 73, Art. 90 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL), § 41, § 127 FGO
Sachverhalt
Die Klägerin lieferte im Streitjahr 2013 aufgrund der Bestellung durch Kassenversicherte verschreibungspflichtige Arzneimittel aus den Niederlanden in das Inland an gesetzliche Krankenkassen. Die Klägerin behandelte diese Lieferungen seit 1.10.2013 in den Niederlanden als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen an die gesetzlichen Krankenkassen, wobei diese im Inland einen korrespondierenden innergemeinschaftlichen Erwerb versteuerten.
Die Klägerin versprach dabei den Kassenversicherten eine sog. Aufwandsentschädigung für die Beantwortung von Fragen zur jeweiligen Erkrankung im Rahmen eines sog. "Arzneimittel-Checks". Die Aufwandsentschädigung für die Teilnahme am "Arzneimittel-Check" verrechnete die Klägerin bei Kassenversicherten, die für den Bezug des verschreibungspflichtigen Arzneimittels Zuzahlungen zu leisten hatten, mit diesem Zuzahlungsbetrag. Von der Zuzahlungspflicht befreite Kassenversicherte konnten die Aufwandsentschädigung zur Preisminderung beim Erwerb anderer Gegenstände von der Klägerin, wie etwa verschreibungsfreier Arzneimittel, verwenden.
Die Klägerin ging davon aus, dass sie aufgrund der Aufwandsentschädigungen zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage berechtigt sei. Dem folgte das FA nicht. Einspruch und Klage zum FG (FG Düsseldorf, Urteil vom 17.2.2017, 1 K 2164/14 U, Haufe-Index 11591389, EFG 2018, 889) hatten keinen Erfolg. Während des Revisionsverfahrens erging ein Änderungsbescheid, mit dem das FA die Entgeltminderung in Bezug auf die Aufwandsentschädigungen versagte, die die Klägerin an von der Zuzahlungspflicht befreite Kassenversicherte gewährt hatte.
Entscheidung
Im Revisionsverfahren setzte der BFH das Verfahren aus, um eine Vorabentscheidung durch den EuGH einzuholen, die in Form des EuGH-Urteils Firma Z vom 11.3.2021, C‐802/19 (EU:C:2021:195, Haufe-Index 14373549), erging. Im Anschluss hieran setzte der BFH das Verfahren fort und bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz, da die Klägerin nicht zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage berechtigt sei.
Hinweis
1. Bei dem Besprechungsurteil handelt es sich um die Folgeentscheidung zum EuGH-Urteil Firma Z vom 11.3.2021, C‐802/19 (EU:C:2021:195; Haufe-Index 14373549). Der EuGH hatte dort entschieden, dass eine in einem Mitgliedstaat niedergelassene Apotheke nicht zur Minderung ihrer Bemessungsgrundlage berechtigt ist, wenn sie Lieferungen pharmazeutischer Produkte als in diesem Mitgliedstaat von der MwSt befreite innergemeinschaftliche Lieferungen an eine gesetzliche Krankenkasse mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat erbringt und den bei dieser Krankenkasse versicherten Personen einen Rabatt gewährt. Dem folgt der BFH.
2. Weitergehend betrachten musste der BFH nur noch die Frage nach der Bedeutung von Aufwandsentschädigungen, die der Unternehmer seinem Abnehmer anlässlich einer ersten Lieferung zusagt und die der Abnehmer bei einer zweiten Lieferung für eine Preisermäßigung verwenden kann.
Nach dem Urteil des BFH mindert sich hierdurch das Entgelt für die zweite Lieferung nicht, da sich dieses nunmehr aus der um den Wert der Aufwandsentschädigung geminderten Zahlungspflicht und dem Wert der Aufwandsentschädigung zusammensetzt.
Der BFH begründet dies damit, dass zwar ein beim entgeltlichen Warenerwerb eingeräumter Anspruch auf Preisnachlass für eine zukünftig zu liefernde Ware zu einer Minderung des Entgelts für die zweite Lieferung führen kann. Erforderlich ist herfür aber zusätzlich, dass dieser Anspruch dem Kunden kostenlos eingeräumt werden muss.
Trifft dies zu, mindert sich dann das Entgelt für die zweite Lieferung, da der Unternehmer aufgrund des "kostenlosen" Preisnachlasses einen geringeren "Wert der Gegenleistung" für diese Lieferung erhält. Fehlt es demgegenüber an dieser Kostenlosigkeit, da der Anspruch auf Preisnachlass eine vom Kunden an den Unternehmer erbrachte Leistung vergüten soll, kommt es demgegenüber zu keiner Entgeltminderung. Die Beurteilung ähnelt dann der bei einem tauschähnlichen Umsatz.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 18.11.2021 – V R 4/21 (V R 41/17)