Prof. Dr. rer. pol. Hanno Kirsch
Rz. 76
IAS 1.125 verlangt die Offenlegung von Informationen über die zentralen Annahmen bezüglich der zukünftigen Entwicklung und anderer zentraler Quellen der Schätzung von Unsicherheiten am Bilanzstichtag, welche einen signifikanten Einfluss auf den Buchwert von Vermögenswerten und Schulden innerhalb des nächsten Geschäftsjahres haben können. IAS 1.125 fordert hinsichtlich der potenziell von diesem Wertanpassungsrisiko betroffenen Vermögenswerte und Schulden Detailinformationen über die Art der Bilanzposten und deren Buchwert am Bilanzstichtag.
IAS 1.129 führt unter Berufung auf IAS 1.125 aus, welche weiteren Angaben den Abschlussadressaten unterstützen, die Bedeutung der Quellen der Unsicherheit und die Unsicherheiten der Prognosen des Managements besser zu verstehen. Neben den qualitativen Offenlegungspflichten der Art der Annahme bzw. der Unsicherheitsschätzung und der Erläuterung der Anpassung an vergangene Schätzungen enthält IAS 1.129b die Angabe der Sensitivität der Buchwerte bei Änderung der in der Prognose verwendeten Schätzungen sowie IAS 1.129c die Angabe der Bandbreite möglicher Ergebnisse für die Buchwerte von Vermögenswerten und Schulden innerhalb des nächsten Jahres.
Rz. 77
Ein Unternehmen entwickelt ein Medikament. Zum 31.12.00 liegen alle Voraussetzungen vor, damit eine Aktivierung der Entwicklungskosten nachfolgend stattfinden kann. Das Unternehmen prognostiziert folgende Ein- und Auszahlungsströme (realistisches Szenario) während der Marktphase des Medikaments:
Jahre |
Umsatz |
Cashflow-Marge |
Einzahlungsüberschuss |
03 |
6.000 |
4.500 |
1.300 |
04–06 |
12.000 |
9.000 |
5.000 |
07–10 |
9.000 |
6.750 |
2.550 |
11–15 |
6.000 |
4.500 |
1.400 |
Tab. 1: Prognosedaten für ein selbst erstelltes Medikament zwecks Nachweises des ökonomischen Nutzens
Ein Restwert des Medikaments am Ende der Nutzungsdauer (31.12.15) ist nicht vorhanden. Aus Vereinfachungsgründen sei unterstellt, dass die Zahlungsströme stets am Ende der Periode anfallen. Das optimistische (pessimistische) Szenario beinhaltet in jeder Phase einen um 25 % höheren (geringeren) Umsatz und eine um 25 % höhere (geringere) Cashflow-Marge. Die fixen Ausgaben sollen in jedem Szenario unverändert bleiben, sodass sich im optimistischen bzw. pessimistischen Szenario der Einzahlungsüberschuss linear um die Veränderung der Cashflow-Marge verschiebt. Der risikolose Zins beträgt 5 % p. a.
Die Summe der diskontierten Cashflows per 31.12.02 beträgt im realistischen Szenario 25.747 GE, im optimistischen Szenario 40.874 GE und im pessimistischen Szenario 10.621 GE. Für das realistische Szenario schätzt das Unternehmen eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 50 %, für die beiden anderen Szenarien eine Eintrittswahrscheinlichkeit von je 25 %. Die Risikopräferenzfunktion des Unternehmens lautet:
Sicherheitsäquivalent per 31.12.02 = μ – 0,3 σ= 25.747 – 3.209 = 22.538
In 01 und 02 fallen Entwicklungskosten in Höhe von insgesamt 22.000 GE an. Es besteht kein Anlass, die Prognosen vor Beginn der Marktphase anzupassen. Da sämtliche Voraussetzungen für eine Aktivierung annahmegemäß ab dem 31.12.00 vorliegen (einschließlich des Nachweises des künftigen ökonomischen Nutzens), ist der immaterielle Vermögenswert mit 22.000 GE zu aktivieren. Vorausgesetzt, es handele sich um einen signifikanten Posten im IFRS-Abschluss, wäre zur Erfüllung der Angabepflichten des IAS 1.125 im Anhang beispielsweise Folgendes anzugeben:
Es besteht Unsicherheit hinsichtlich des Buchwerts des selbst geschaffenen immateriellen Vermögenswertes, der in der Bilanz zum 31.12.02 mit den Herstellungskosten von 22.000 GE enthalten ist. Die Ursache der Unsicherheit ist in der Unsicherheit der künftigen Einnahmen aus dem Medikament begründet.
Problematisch sind jedoch die quantitativen Angaben des IAS 1.129b und c, die als Beurteilungszeitraum ein Geschäftsjahr verwenden. Vertretbar wäre die Angabe, dass unter der Voraussetzung, dass der Umsatz im nächsten Jahr um 25 % hinter den Erwartungen (realistisches Szenario) zurückbleibt, eine Anpassung des Buchwertes auf den Nutzungswert im pessimistischen Szenario erfolgen muss (per 31.12.03: 10.977 GE). Allerdings wäre auch argumentierbar, dass die Folgen der Umsatzabweichung in der Periode 03 noch keinen endgültigen Schluss auf die gesamten während der Marktperiode zu erwartenden Cashflows zulassen. In diesem Fall bestünde keine Notwendigkeit einer außerplanmäßigen Abschreibung, da der diskontierte Cashflow per 31.12.03 bei weiterer Zugrundelegung des realistischen Szenarios noch 25.734 GE und das Sicherheitsäquivalent noch 22.604 GE betragen würde. (Der fortgeführte Buchwert würde sich bei linearer Abschreibung über die angenommene Nutzungsdauer von 13 Jahren am 31.12.03 zum Vergleich auf 20.308 GE belaufen.)
Rz. 78
Allerdings schränkt IAS 1.131 bereits diese Offenlegungsvorschrift des IAS 1.129 insoweit ein, dass die in IAS 1.129 enthaltenen quantitativen Angaben unterbleiben dürfen, wenn die Veröffentlichung des Ausmaßes der möglichen Auswirkungen aus der Änderung der zentral...