Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Eine doppelte Haushaltsführung ist nicht gegeben, wenn der Steuerpflichtige in einer Wohnung am Beschäftigungsort einen (beruflich veranlassten) Zweithaushalt führt und auch der vorhandene "eigene Hausstand" am Beschäftigungsort belegen ist. Das gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige mehrfach täglich seine schwer erkrankte (Parkinson) Ehefrau pflegen und medizinisch unterstützen will und deswegen am Arbeitsort neben der bei Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel ca. 35 bis 40 Fahrminuten von der Arbeitsstätte entfernten Hauptwohnung in unmittelbarer Nähe zur Arbeitsstätte eine weitere Wohnung anmietet, um bei Bedarf jederzeit kurzfristig seine Ehefrau unterstützen zu können und so die Unterbrechungen der Arbeitszeiten zeitlich deutlich reduzieren zu können.
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige mietete in unmittelbarer Nähe zu seiner Arbeitsstätte eine Zweitwohnung an, die Hauptwohnung liegt etwa 35 bis 40 Fahrminuten von der Arbeitsstätte entfernt. Zur Begründung machte er geltend, die Anmietung sei erforderlich, um bei Bedarf jederzeit kurzfristig seine Ehefrau unterstützen zu können und so die Unterbrechungen der Arbeitszeiten zeitlich deutlich reduzieren zu können. Das Finanzamt lehnte die geltend gemachten Kosten der doppelten Haushaltsführung ab und ließ auch den Kostenabzug als außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EStG) nicht zu.
Entscheidung
Bei einer doppelten Haushaltsführung müssen der Ort des eigenen Hausstands und der Beschäftigungsort auseinanderfallen. Nur dann ist der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG beschäftigt. Eine doppelte Haushaltsführung ist deshalb nicht gegeben, wenn der Steuerpflichtige in einer Wohnung am Beschäftigungsort einen (beruflich veranlassten) Zweithaushalt führt und auch der vorhandene "eigene Hausstand" am Beschäftigungsort belegen ist. Denn dann fallen der Ort des eigenen Hausstands und der Beschäftigungsort nicht auseinander. Bei Prüfung der Frage, ob dies der Fall ist, muss auf alle wesentlichen Umstände des Einzelfalls abgestellt werden und neben der Entfernung auch die Verkehrsanbindung mit privaten und öffentlichen Verkehrsmitteln, die Erreichbarkeit dieser Verkehrsmittel bei Arbeitsbeginn und -ende sowie eventuelle besondere Umstände beim Arbeitsablauf mit einzubeziehen sein. Eine Wohnung am Beschäftigungsort kann danach regelmäßig angenommen werden, wenn sie in einem Bereich liegt, von dem aus der Arbeitnehmer üblicherweise täglich zu diesem Ort fahren kann. Dabei liegen Fahrzeiten von etwa einer Stunde für die einfache Strecke noch in einem zeitlichen Rahmen, in dem es einem Arbeitnehmer zugemutet werden kann, von seinem Hausstand die Arbeitsstätte aufzusuchen. Unter den Bedingungen einer Großstadt, in der sich schon aufgrund des im Innenstadtbereich herrschenden Preisniveaus typischerweise die Wohnstätten der Beschäftigten in Randbereiche und auch über die politischen Grenzen einer Gemeinde hinaus verlagern, sind Fahrzeiten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von etwa einer Stunde üblich und ohne weiteres zumutbar. Dies gilt insbesondere dann, wenn es ein gut ausgebautes Netz von öffentlichen Nah- und Fernverkehrsverbindungen gibt. Im Streitfall lehnte das FG daher den Werbungskostenabzug für eine doppelte Haushaltsführung ab. Es handelte sich auch nicht um außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG. Denn der Aufenthalt in der Zweitwohnung diente in erster Linie der angenehmeren Gestaltung der Pflegesituation und stellt keine gezielte therapeutische Maßnahme dar und ist insofern auch nicht medizinisch indiziert. Die Aufwendungen für das Wohnen stellen Kosten der allgemeinen Lebensführung dar und erleichtern zwar das Leben der Ehefrau, sind aber dennoch freiwillige Aufwendungen und nicht zwangsläufig. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Anmietung der Wohnung aus medizinischen Gründen zweckmäßig ist, so handelt es sich allenfalls um Folgekosten der Krankheit, die nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden können.
Hinweis
Es bleibt einmal mehr die Erkenntnis, dass die Begründung einer doppelten Haushaltsführung einer gewissen fahrtechnischen Entfernung zwischen Erst- und Zweitwohnung bedarf. Aber selbst dann, wenn es entfernungsmäßig "gepasst hätte", wäre der Werbungskostenabzug zweifelhaft, da eine doppelte Haushaltsführung beruflich veranlasst sein muss, hier aber die Erkrankung und Pflege der Ehefrau im Vordergrund stand.
Link zur Entscheidung
FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 08.11.2021, 7 K 7009/19