Leitsatz
1. Ein "hinlänglicher Anlass" für die Ausfertigung von Kontrollmitteilungen besteht jedenfalls dann, wenn der Betriebsprüfer bei der Prüfung der bankinternen Konten einer Bank feststellt, dass Bankkunden, obwohl sie dort ihre Geldkonten führen, Tafelgeschäfte außerhalb dieser Konten anonymisiert in der Art von Bargeschäften abgewickelt haben.
2. Ist der Anlass, der zur Ausfertigung von Kontrollmitteilungen berechtigt, von einer solchen Qualität, dass sich hieraus sogar ein steuerstrafrechtlicher Anfangsverdacht ableiten lässt – wie z.B. bei der anonymisierten Abwicklung von Tafelgeschäften (1.) – entfaltet das so genannte Bankengeheimnis keine Schutz- oder Vertrauenswirkung für den Bankkunden.
Normenkette
§ 30a Abs. 3 AO , § 194 Abs. 3 AO
Sachverhalt
Das FA führte bei einer Bank eine Außenprüfung durch, die sich nach der Prüfungsanordnung auf die für Kapitalgeschäfte relevanten Steuerarten sowie auf Sachverhalte erstrecken sollte, die für andere Steuerarten von Bedeutung sein können. Im Rahmen der Außenprüfung überprüfte der Betriebsprüfer u.a. die bankinternen Sachkonten "Wertpapiervermittlungen" bzw. "Wertpapiervermittlungskonto" sowie das Konto "Kasse". Er stellte fest, dass in unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Nähe Barauszahlungen von Spar-, Giro- oder anderen Konten der Bankkunden und der Erwerb von Wertpapieren "über die Tafel" in identischer Höhe verbucht waren. Der Prüfer erbat und erhielt die Namen und Anschriften der betreffenden Bankkunden.
Hinsichtlich sieben bedeutender Geschäftsvorfälle dieser Art (Tafelgeschäfte über 100 000 DM) teilte das FA der Bank mit, es beabsichtigte, Kontrollmitteilungen zu fertigen. Daraufhin beantragte die Bank beim FG, dies dem FA im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen. Der Antrag blieb jedoch ohne Erfolg.
Entscheidung
Der BFH hat die vom FG zugelassene Beschwerde zurückgewiesen. Ein Anfangsverdacht einer Steuerstraftat sei bei der Durchführung von Tafelgeschäften gerechtfertigt, wenn der Bankkunde solche Geschäfte bei seinem Kreditinstitut, bei dem er seine Konten und/oder Depots führt, außerhalb dieser legitimationsgeprüften Konten durch Bareinzahlungen und Barabhebungen abwickele. Denn wer Konten und Depots bei einem Kreditinstitut führe, seine Wertpapiergeschäfte aber gleichwohl durch Bareinzahlungen und Barabhebungen tätige, müsse den Anfangsverdacht ertragen, er habe mit dieser Art der anonymisierten Geschäftsabwicklung die Weiche für eine Steuerhinterziehung gestellt. Dieser Anfangsverdacht rechtfertige ohne weiteres die Ausschreibung und Versendung von Kontrollmitteilungen an die Wohnsitzfinanzämter der betreffenden Bankkunden.
Hinweis
Die Reichweite des Verbots des § 30a Abs. 3 AO, Kontrollmitteilungen auszuschreiben, hat den BFH in letzter Zeit mehrfach beschäftigt. Beachten Sie dazu insbesondere die Entscheidungen in BStBl II 1998, 231, BStBl II 2000, 643 und BFH-PR 2001, 352 (für das BStBl bestimmt) sowie die nicht ohne weiteres in allen Punkten deckungsgleichen Rechtsansichten des VIII. Senats des BFH (BStBl II 1997, 499 und BStBl II 1999, 138, wonach für das Vorliegen eines "hinreichenden Anlasses" zur Ausschreibung von Kontrollmitteilungen genügt, dass der Außenprüfer im Rahmen einer aufgrund allgemeiner Erfahrung getroffenen Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung zu dem Ergebnis kommt, eine Kontrollmitteilung führe zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen) sowie des I. Senats (BStBl II 2000, 648 zur Frage der Geltung des § 30a bei Fahndungsmaßnahmen).
Nach Auffassung des VII. Senats begrenzt § 30a Abs. 3 AO "im Bankenbereich" die Befugnis der Finanzbehörden zur Auswertung von Erkenntnissen, die sie bei einer Überprüfung von Bankunterlagen über mögliche Steuerhinterziehungshandlungen von deren Kunden gewonnen haben. Der Ausschreibung und Weiterleitung von Kontrollmitteilungen an die Wohnsitzfinanzämter der betreffenden Bankkunden nach § 194 Abs. 3 AO stehe aber dann nichts im Weg, wenn ein steuerstrafrechtlicher Anfangsverdacht vorliegt.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 2.8.2001, VII B 290/99