Leitsatz
Bei der Festsetzung der inländischen Schenkungsteuer für einen Erwerb, der auch in den Niederlanden der Schenkungsteuer unterliegt, führt die Berücksichtigung von ebenfalls in den Niederlanden besteuerten Vorerwerben nach § 14 ErbStG nicht zu einer Anrechnung der für die gesamten Vorerwerbe gezahlten niederländischen Steuer. Die in den Niederlanden gezahlte Schenkungsteuer ist nur insoweit nach § 21 ErbStG anzurechnen, als sie auf die besteuerte Zuwendung (Letzterwerb) entfällt.
Normenkette
§ 14, § 21 ErbStG, Art. 56, Art. 58 (jetzt Art. 63, Art. 65 AEUV) EG
Sachverhalt
Die im Inland wohnende Klägerin erhielt von ihrer in den Niederlanden wohnenden Mutter in den Jahren 1989 bis 1998 schenkweise mehrere Geldbeträge. Das FA setzte Schenkungsteuer für die Erwerbe in den Jahren 1992, 1993, 1995, 1997 und 1998 fest. Es berücksichtigte die niederländische Steuer nur insoweit, als sie auf den jeweiligen Letzterwerb entfiel. Demgegenüber begehrte die Klägerin eine Anrechnung der für die gesamten Vorerwerbe gezahlten niederländischen Schenkungsteuer. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FG wies die Klage ab (FG Köln, Urteil vom 23.4.2009, 9 K 47/07, Haufe-Index 2271157, EFG 2010, 438).
Entscheidung
Der BFH bestätigte, wie in den Praxis-Hinweisen erläutert, die Vorentscheidung.
Hinweis
1. Die Zusammenrechnungsvorschrift des § 14 ErbStG verhindert, dass durch die Aufteilung einer beabsichtigten Zuwendung in mehrere zeitlich folgende Teilübertragungen durch Mehrfachgewährung der persönlichen Freibeträge und durch Vermeidung der Steuerprogression Steuervorteile erlangt werden. Dabei werden weder die früheren Steuerfestsetzungen mit der Steuerfestsetzung für den letzten Erwerb zusammengefasst noch werden die einzelnen Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums zu einem einheitlichen Erwerb verbunden. Vielmehr unterliegen die einzelnen Erwerbe als selbstständige steuerpflichtige Erwerbe je für sich der Steuer; die rechtliche Selbstständigkeit der einzelnen Erwerbe und der hierzu ergangenen Steuerfestsetzungen bleibt von § 14 ErbStG unberührt. Diese Vorschrift enthält daher lediglich eine besondere Anordnung für die Berechnung der sich für den Letzterwerb ergebenden Steuer.
2. Mit diesem Regelungsgehalt gilt § 14 ErbStG sowohl für den Erwerb von Inlands- wie auch von Auslandsvermögen. Die Vorschrift trifft allerdings keine ausdrückliche Regelung für den Fall, dass bei einem Vorerwerb ausländische Erbschaft- oder Schenkungsteuer gezahlt und auf inländische Schenkungsteuer nach § 21 ErbStG anzurechnen ist. Durch die Anrechnungsvorschrift des § 21 ErbStG soll eine doppelte Steuerbelastung mit inländischer und ausländischer Erbschaft- und Schenkungsteuer möglichst vermieden werden.
3. Ausgehend vom Regelungsgehalt des § 14 ErbStG ist bei der Besteuerung des Letzterwerbs mehrerer Erwerbe von Auslandsvermögen nur die ausländische Steuer anzurechnen, die für den Letzterwerb gezahlt wurde. Eine Anrechnung nicht ausgenutzter ausländischer Steuer kann bei der Besteuerung von Nacherwerben nicht nachgeholt werden. Das Anrechnungsvolumen aus ausländischer Steuer geht daher verloren, wenn für den jeweiligen Vorerwerb (z.B. wegen Unterschreitung des persönlichen Freibetrags) keine inländische Steuer festzusetzen oder die deutsche Steuer niedriger als die ausländische Steuer war. Es können daher nur Zuwendungen, die zu einer Festsetzung inländischer Steuer führen, die Anrechnungsmöglichkeit ausländischer Steuer eröffnen. Daraus resultiert die Gestaltungsempfehlung, bei Auslandserwerben nach Möglichkeit auf eine Mehrzahl kleinerer Zuwendungen unterhalb der persönlichen Freibeträge zu verzichten.
4. In der durch den Regelungsmechanismus des § 14 ErbStG beschränkten Anrechenbarkeit ausländischer Steuer liegt kein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56, Art. 58 – jetzt Art. 63, Art. 65 AEUV – EG). Eine insoweit eintretende Doppelbelastung mit in- und ausländischer Steuer tritt unabhängig davon ein, ob ein Schenker seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im In- oder im Ausland hat. Die Mitgliedstaaten haben nach dem gegenwärtigen Entwicklungsstand des Gemeinschaftsrechts eine gewisse Autonomie bei der Ausgestaltung des Erbschaft- bzw. Schenkungsteuerrechts. Eine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zur Vollanrechnung ausländischer Steuer besteht im Rahmen des § 14 ErbStG nicht.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 7.9.2011 – II R 58/09