OFD Niedersachsen, Verfügung v. 4.9.2013, S 0450 - 49 - St 144
1. Allgemeines
Die in einem Steuerbescheid enthaltene Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen (§ 36 Abs. 2 EStG, § 18 Abs. 4 UStG) auf die Einkommen- oder Umsatzsteuer ist ein selbständiger Verwaltungsakt mit Bindungswirkung und nur äußerlich mit dem Steuerbescheid verbunden.
Allerdings stellt nicht alles, was in dem Abrechnungsteil eines Steuerbescheides enthalten ist, eine bestandskräftige Regelung dar. In einem Einkommensteuerbescheid gilt dies nur für die im Einkommensteuergesetz vorgeschriebene Entscheidung über die Anrechnung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen (§ 36 Abs. 2 EStG). Die im Abrechnungsteil ggf. enthaltenen weiteren Punkte (sonstige Zahlungen und Umbuchungen) werden nicht bestandskräftig festgestellt (vgl. BFH vom 13.1.2005, VII B 147/04, BStBl 2005 II S. 457). Für Einkommensteuervorauszahlungsbescheide schreibt das Einkommensteuergesetz keine Anrechnungen vor, so dass ein dort evtl. enthaltener Abrechnungsteil keinen Verwaltungsakt darstellt.
Die Anrechnungsverfügung gehört nicht zum Steuerfestsetzungs-, sondern zum Steuererhebungsverfahren. Nach außen wird damit eine Entscheidung darüber getroffen, was auf die festgesetzte Steuerschuld anzurechnen ist und was nicht.
Soweit die Anrechnungsverfügung keinen Widerrufsvorbehalt enthält, kann eine Korrektur der Anrechnungsverfügung bis zum Eintritt der Zahlungsverjährung nur nach §§ 129 – 131 AO erfolgen. Diese Bindungswirkung muss auch beim Erlass eines Abrechnungsbescheides nach § 218 Abs. 2 AO beachtet werden (AEAO zu § 218, Nr. 3). Der Abrechnungsbescheid ist lediglich in verfahrensrechtlicher Hinsicht vorrangig gegenüber der Anrechnungsverfügung (vgl. u.).
2. Einspruch gegen die Anrechnungsverfügung
Gegen die Anrechnungsverfügung kann Einspruch eingelegt werden. Sind die Einwendungen des Steuerpflichtigen gerechtfertigt, ist die Anrechnungsverfügung zu korrigieren. Für einen Erlass eines Abrechnungsbescheids besteht in diesem Fall keine Veranlassung mehr.
Sind die Einwendungen nicht begründet, ist der Einspruch als Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheids anzusehen, da über Streitigkeiten, die die Anrechnung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen betreffen, nur im Verfahren nach § 218 Abs. 2 AO entschieden werden kann. Eine förmliche Entscheidung über den Einspruch gegen die Anrechnungsverfügung ist nach Erlass des Abrechnungsbescheides nicht erforderlich, da hierdurch das Rechtsschutzbedürfnis für den Rechtsbehelf gegen den Anrechnungsbescheid entfällt. Ab diesem Zeitpunkt können Einwendungen nur noch im Verfahren nach § 218 Abs. 2 AO vorgebracht werden.
Wird bei der Überprüfung der Anrechnungsverfügung im Einspruchsverfahren festgestellt, dass diese zuungunsten des Steuerpflichtigen geändert werden müsste, ist diese Änderung im Rahmen des Abrechnungsbescheides nur zulässig, wenn die Voraussetzungen nach §§ 129, 130 Abs. 2 und 131 Abs. 2 AO vorliegen.
Im Rahmen des Einspruchs gegen die Anrechnungsverfügung braucht nicht geprüft zu werden, ob die dem Anrechnungsbescheid zugrunde liegenden Steuerbescheide materiell rechtlich zutreffend sind. Einwendungen hiergegen sind im Rechtsbehelfsverfahren gegen diese Bescheide geltend zu machen. Beim Erlass eines Abrechnungsbescheides sind die Steuerbescheide in der zuletzt bekannt gegebenen Fassung zu berücksichtigen.
3. Antrag auf Änderung der Anrechnungsverfügung
Wird gegen die Anrechnungsverfügung kein Einspruch eingelegt, sondern (ggf. nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist) ein Antrag auf Änderung gestellt, so gelten die o.g. Ausführungen zum Einspruch entsprechend.
Geht dieser Antrag nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist beim FA ein, so übt das FA sein Ermessen im Rahmen der Überprüfung der Voraussetzungen des § 130 AO in der Regel ermessensfehlerfrei aus, wenn es den Antrag im Rahmen eines Abrechnungsbescheides ablehnt, soweit folgende Voraussetzungen vorliegen: Der Adressat hätte die Gründe, die seiner Auffassung nach eine Rücknahme rechtfertigen, mit einem fristgerecht eingelegten Einspruch gegen den Bescheid vorbringen können. Daneben liegen keine besonderen Umstände vor, nach denen vom Adressaten die Rechtsverfolgung im Einspruchsverfahren unter Berücksichtigung aller Umstände billigerweise nicht erwartet werden konnte (vgl. BFH vom 24.11.2011, V R 13/11, BStBl 2012 II S. 298).
4. Einspruch gegen Abrechnungsbescheid
Wird über einen Einspruch bzw. einen Antrag auf Änderung mit einem Abrechnungsbescheid entschieden, so kann der Steuerpflichtige hiergegen Einspruch einlegen. Wenn diesem Einspruch nicht abgeholfen werden kann, ist über den Einspruch mit Einspruchsentscheidung gem. § 367 AO zu entscheiden.
5. Verjährung
Eine Korrektur der Anrechnungsverfügung ist nur innerhalb der durch die Anrechnungsverfügung in Lauf gebrachten Zahlungsverjährungsfrist zulässig (BFH-Urteil vom 12.2.2008, VII R 33/06, BStBl 2008 II S. 504 und vom 27.10.2009, VII R 51/08, BStBl 2010 II S. 382). Die Verjährungsfrist des § 228 AO begi...