Leitsatz
1. Sog. anschaffungsnahe Aufwendungen sind nicht allein wegen ihrer Höhe oder ihrer zeitlichen Nähe zur Anschaffung eines Gebäudes als Herstellungskosten zu beurteilen; soweit sie nicht der Herstellung oder Erweiterung eines Gebäudes dienen, stellen sie nur dann Herstellungskosten dar, wenn sie zu seiner wesentlichen Verbesserung gem. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB führen (Änderung der Rechtsprechung).
2. Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die für sich allein noch als Erhaltungsmaßnahmen zu beurteilen wären, können in ihrer Gesamtheit zu einer wesentlichen Verbesserung gem. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB führen, wenn dadurch der Gebrauchswert (das Nutzungspotenzial) eines Wohngebäudes gegenüber dem Zustand im Zeitpunkt des Erwerbs deutlich erhöht wird (Bestätigung des BFH-Urteils vom 9.5.1995, IX R 116/92, BStBl II 1996, 632).
3. Der Gebrauchswert eines Wohngebäudes wird insbesondere durch die Modernisierung derjenigen Einrichtungen erhöht, die ihn maßgeblich bestimmen: Das sind vor allem die Heizungs-, Sanitär- und Elektroinstallationen sowie die Fenster. Eine deutliche Erhöhung des Gebrauchswerts ist immer dann gegeben, wenn durch die Modernisierung ein Wohngebäude von einem sehr einfachen auf einen mittleren oder von einem mittleren auf einen sehr anspruchsvollen Standard gehoben wird.
4. Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen innerhalb eines Veranlagungszeitraums können als Herstellungskosten gem. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB zu werten sein, wenn sie zwar für sich gesehen noch nicht zu einer wesentlichen Verbesserung führen, sie aber Teil einer Gesamtmaßnahme sind, die sich planmäßig in zeitlichem Zusammenhang über mehrere Veranlagungszeiträume erstreckt und die insgesamt zu einer wesentlichen Verbesserung führt (Sanierung "in Raten").
Normenkette
§ 255 Abs. 1 und 2 HGB , § 11 Abs. 2 FGO , § 7 Abs. 1 EStG , § 9 Abs. 1 Nr. 7 EStG , § 21 Abs. 1 EStG
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige erwarb im März 1988 ein Mietwohngrundstück mit neun Wohnungen und einem Laden. Auf das vermietete Gebäude entfielen Anschaffungskosten von rund 250 000 DM.
Bis 1991 investierte er rund 150 000 DM (Einbau von Isolierglasfenstern, Etagenheizungen, Modernisierung von Bädern und Erneuerung des Ladens) und machte diese Aufwendungen als Werbungskosten (Erhaltungsaufwendungen) geltend.
Das FA nahm Herstellungskosten an. Der Verkehrswert des Anwesens sei gutachterlich festgestellt von 270 000 DM auf 375 000 DM gestiegen. Somit sei es wegen eines Instandhaltungsrückstands verbilligt erworben worden.
Entscheidung
Der BFH führt grundsätzlich aus: Ob Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorlägen, richte sich nach § 255 HGB.
1. Es lägen keine Anschaffungskosten (§ 255 Abs. 1 HGB) vor. Denn das Gebäude sei vermietet gewesen und weiterhin vermietet worden. Es habe sich daher in einem betriebsbereiten Zustand befunden – unabhängig davon, ob der Erwerber später grundlegende Veränderungen geplant habe.
2. Ob Herstellungskosten (§ 255 Abs. 2 HGB) vorlägen, könne nicht abschließend entschieden werden.
a) Die Baumaßnahmen hätten jeweils für sich das Gebäude nicht wesentlich verbessert. Übliche Instandsetzungsarbeiten führten nicht zu einer so deutlichen Erhöhung des Gebrauchswerts.
b) In ihrer Gesamtheit könnten allerdings Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen zu einer wesentlichen Verbesserung führen, wenn der ursprüngliche Zustand deutlich erhöht werde. Dazu müsse das Nutzungspotenzial von einem sehr einfachen auf einen mittleren oder von einem mittleren auf einen sehr anspruchsvollen Standard gehoben werden. Dann seien sämtliche "gebündelten" Maßnahmen Herstellungskosten. Eine sich über mehrere Jahre erstreckende Gesamtmaßnahme könne zu Herstellungskosten führen, wenn sie planmäßig zu einer wesentlichen Verbesserung führe.
c) Allein die Höhe oder zeitliche Nähe von Aufwendungen führe nicht zu Herstellungskosten. Diese Kriterien fänden in § 255 HGB keine Grundlage (Aufgabe der sog. anschaffungsnahen Herstellungskosten). Baumaßnahmen in zeitlicher Nähe zur Anschaffung seien daher nach den allgemeinen Kriterien zu beurteilen.
3. Der Steuerpflichtige trage die Feststellungslast für die Voraussetzung des Werbungskostenabzugs, das FA für das Vorliegen von Herstellungskosten. Bei umfangreichen Baumaßnahmen könne ein Indiz für eine wesentliche Verbesserung und damit für Herstellungskosten sein, dass die Miete erheblich gesteigert wurde.
Hinweis
Nach bisheriger Rechtsprechung und Praxis wurden Erhaltungsaufwendungen, die im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb eines Gebäudes (i.d.R. innerhalb von drei Jahren) anfielen und im Verhältnis zum Kaufpreis hoch waren, grundsätzlich als Herstellungskosten beurteilt, auch wenn es sich um typische Erhaltungsaufwendungen (z.B. Reparaturen) handelte (R 157 Abs. 4 EStR).
Diese Rechtsprechung wurde nunmehr aufgegeben. Entscheidend ist allein die Definition der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten in § 255 HGB.
Wird ein Gebäude im Zeitpunkt des Erwerbs bereits genutzt (z.B. durch Vermietung) und setzt der Erwerber ...