Leitsatz

Der auf der allgemeinen Lebenserfahrung basierende Anscheinsbeweis dafür, dass ein Gesellschafter-Geschäftsführer einen Dienstwagen auch privat nutzt, obwohl ihm dieses nach dem geänderten Arbeitsvertrag nicht mehr erlaubt ist, besteht nicht, wenn dem Gesellschafter-Geschäftsführer jederzeit ein anderer gleichwertiger Pkw zur alleinigen Privatnutzung zur Verfügung steht. Der Gesellschafter-Geschäftsführer muss nicht der Halter des anderen Pkw sein.

Wenn der Nachweis der Privatnutzung des Dienstwagens nicht nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises geführt werden kann, bleibt es bei der Feststellungslast des Finanzamtes.

 

Sachverhalt

Zu entscheiden war die Frage, ob die Klägerin, eine GmbH in Liquidation, ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer, dem späteren Liquidator, einen Dienstwagen für die private Nutzung zur Verfügung gestellt hatte und deshalb für die auf diesen Sachbezug entfallenden Lohnsteuern und Solidaritätszuschläge haftete. Nach dem Arbeitsvertrag war dem Gesellschafter-Geschäftsführer die private Nutzung des Dienstwagens zunächst gestattet. Dieses Recht wurde jedoch durch eine Vertragsänderung aufgehoben. Ungeachtet dieser Vereinbarungen ging das Finanzamt nach den Regeln des Anscheinsbeweises davon aus, dass der Dienstwagen weiterhin privat genutzt wurde, da der Gesellschafter-Geschäftsführer keinen eigenen privaten Pkw auf seinen Namen angemeldet hatte. Demzufolge ermittelte das Finanzamt die Höhe des Sachbezugs nach der 1%-Regelung, setzte die darauf entfallenden Lohnsteuern und Solidaritätszuschläge fest und erließ gegen die GmbH einen Haftungsbescheid gemäß § 42d EStG. Dass der Gesellschafter-Geschäftsführer seinen privaten Pkw, ein mit dem Dienstwagen qualitativ vergleichbares Fahrzeug, über seinen Vater als Halter laufen ließ, führte im Einspruchsverfahren nicht zur Aufhebung des Haftungsbescheids.

 

Entscheidung

Das FG folgte der Auffassung des Finanzamtes nicht. Aus tatsächlichen Gründen hielt es den Anscheinsbeweis für nicht gelungen, da der Gesellschafter-Geschäftsführer glaubhaft darlegen konnte, dass er die alleinige Verfügungsmacht über den auf seinen Vater angemeldeten Pkw hatte. Mangels Anscheinsbeweis oblag dem Finanzamt die Feststellungslast für die private Nutzung des Dienstwagens, weil dieser Tatbestand steuerbegründend ist. Das Finanzamt konnte die Privatnutzung jedoch nicht nachweisen, so dass der Haftungsbescheid im Ergebnis aufzuheben war.

 

Hinweis

Der die Feststellungslast des Finanzamtes umkehrende Anscheinsbeweis hat keinen Erfolg, wenn die Steuerpflichtigen tatsächliche Gründe vorbringen können, die glaubhaft machen, dass der zu beurteilende Sachverhalt anders ist als der Sachverhalt, der dem auf der allgemeinen Lebenserfahrung beruhenden Anscheinsbeweis zugrunde liegt, so dass eine typisierende steuerliche Betrachtung nicht gerechtfertigt ist.

In einem solchen Ausnahmefall sind stets sorgfältige Aufzeichnungen zu führen, um den Anscheinsbeweis zu entkräftigen und die Glaubwürdigkeit der eigenen Aussagen zu fördern.

 

Link zur Entscheidung

Sächsisches FG, Urteil vom 28.08.2002, 3 K 2099/01

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