Dr. Birger Brandt, Prof. Jürgen Brandt
Leitsatz
1. Steht Ehegatten für ein gemeinsames Einfamilienhaus die Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG zu und entfallen während des Abzugszeitraums die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG, kann der Ehegatte, der den Miteigentumsanteil des anderen Ehegatten hinzuerwirbt, erst ab dem Jahr des Eigentumserwerbs die auf den hinzuerworbenen Miteigentumsanteil entfallende Grundförderung beanspruchen.
2. Soll im Rahmen der Scheidungsvereinbarung ein Miteigentumsanteil auf den anderen Ehegatten übertragen werden, erlangt der erwerbende Ehegatte regelmäßig erst dann zur Inanspruchnahme der Grundförderung berechtigendes wirtschaftliches Eigentum an dem Anteil, wenn der auf Übertragung des Eigentums gerichtete notarielle Vertrag abgeschlossen ist und ihm darin (Eigen-)Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten übertragen worden sind.
Normenkette
§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO , § 10e Abs. 5 Satz 3 EStG
Sachverhalt
Der Kläger und seine Ehefrau waren Miteigentümer eines Reihenhauses sowie eines weiteren Grundstücks, auf dem der Kläger im Jahr 1991 ein Einfamilienhaus errichtete, das er ab 14.12. 1991 zu eigenen Wohnzwecken nutzte. Im Dezember 1991 trennten sich die Eheleute. Im Jahr 1993 übertrug die Ehefrau dem Kläger Ihren Anteil an dem Reihenhausgrundstück.
Für das Jahr 1992 beanspruchte der Kläger die Wohneigentumsförderung für das Reihenhaus im vollen Umfang, die das FA im Einspruchsverfahren wie auch das FG nur im Umfang des hälftigen Miteigentumsanteils des Klägers gewährten.
Entscheidung
Der Kläger habe im Streitjahr 1992 noch keinen Anspruch auf Fortführung der auf den (erst 1993 übernommenen) Miteigentumsanteil seiner getrennt lebenden Ehefrau. Die Formulierung "weiter in der bisherigen Höhe abziehen" in § 10e Abs. 5 Satz 3 EStG bedeute lediglich, dass der erwerbende Ehegatte mit dem Erwerb des Anteils hinsichtlich Abzugszeitraum und Höhe der Grundförderung die Position des veräußernden Ehegatten fortführe, rechtfertige aber nicht einen Förderungsanspruch vor Erwerb des Miteigentumsanteils.
Der Kläger sei vor der Übertragung auch nicht wirtschaftlicher Eigentümer gewesen, weil die notarielle Auseinandersetzungsvereinbarung, nach der (Eigen-)Besitz und Lasten mit Vertragsschluss auf den Kläger übergingen, erst am 16.4. 1993 geschlossen worden sei.
Ein behauptetes Einverständnis zwischen den Eheleuten über eine frühere Zurechnung des Miteigentumsanteils reiche für die Annahme wirtschaftlichen Eigentums nicht aus. Solange die Beteiligten die Eigentumsübertragung nur beabsichtigten, aber noch keine auf die Übertragung des Eigentums gerichteten Verträge abgeschlossen hätten, könne der künftige Erwerber den bisherigen Eigentümer nicht i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen.
Hinweis
1. Wohneigentumsförderung für übernommenen Miteigentumsanteil des getrennt lebenden Ehegatten erst ab Übergang
Ist der Steuerpflichtige – wie der Kläger im Streitjahr 1992 – nur Miteigentümer einer eigengenutzten Wohnung, stehen ihm die Abzugsbeträge nach § 10e EStG – auch wenn er die Wohnung allein nutzt – nur entsprechend seinem Miteigentumsanteil zu (§ 10e Abs. 1 Satz 6 EStG). Allerdings gelten Miteigentumsanteile von Ehegatten als ein Objekt, wenn bei ihnen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vorliegen (unbeschränkte Steuerpflicht, kein dauerndes Getrenntleben; § 10e Abs. 5 Satz 2 EStG). Entfallen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG, gelten die Miteigentumsanteile der Ehegatten wieder als selbstständige Objekte (BFH, Urteil vom 24.7.1996, X R 20/93, BStBl II 1996, 603, m.w.N.).
Erwirbt ein Ehegatte während des Abzugszeitraums von dem anderen Ehegatten nach Wegfall der Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG dessen Miteigentumsanteil hinzu, kann er die darauf entfallende Grundförderung aufgrund der Regelung in § 10e Abs. 5 Satz 3 EStG – auch soweit sie auf den erworbenen Anteil entfallen – weiter in der bisherigen Höhe abziehen. Dies kann aber erst ab dem Kalenderjahr gelten, in dem der Anteil des getrennt lebenden Ehegatten auf den Steuerpflichtigen übertragen wird (vgl. Meyer in HHR § 10e EStG Anm. 458 am Ende; die Eigenheimzulage: Wacker, Eigenheimzulagengesetz, § 6 Rz. 81).
2. Regelmäßig kein wirtschaftliches Eigentum vor Übertragung trotz Kostentragung
Eine frühere Abzugsberechtigung hinsichtlich des Miteigentumsanteils des getrennt lebenden Ehegatten kann folglich nur bestehen, wenn der andere Ehegatte insoweit geltend machen kann, wirtschaftlicher Eigentümer zu sein. Dies setzt voraus, dass Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten übertragen werden (vgl. BFH, Urteil vom 12.4.2000, X R 69/98, BFH/NV 2000, 1331, m.w.N). Darüber hinaus könnte sich wirtschaftliches Eigentum ergeben, wenn der übernehmende Ehegatte die gesamten Kosten des Einfamilienhauses getragen und das Einfamilienhaus allein bewohnt hat sowie gegen den Miteigentümer einen Anspruch auf Ersatz des hälftigen Verkehrswerts des Gebäudes hätte. Denn dann könnte der Miteigentümer den Wert des Miteigentumsanteils am Gebäude nicht für eigene Rechnung r...