Leitsatz
Der einleitende Teil des Abschn. 11 Abs. 4 Satz 1 VStR 1993/1995 (R 103 Abs. 4 ErbStR 1999/2003), wonach die Regelungen zur Neutralisierung des Kaskadeneffekts in Beteiligungsketten von Kapitalgesellschaften nur anwendbar sind, wenn die Obergesellschaft an der Untergesellschaft zu mehr als 50 % beteiligt ist, erfasst auch die Fälle einer Organschaft zwischen den Gesellschaften (Abschn. 11 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 VStR 1993/1995).
Normenkette
§ 11 Abs. 2 Satz 2; Abschn. 11 Abs. 4 VStR 1993/1995, R 103 Abs. 4 ErbStR 1999/2003
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, war an einer Reihe von Kapitalgesellschaften zu mehr als 50 % beteiligt. An einer weiteren Kapitalgesellschaft, der P-GmbH, war sie zu genau 50 % beteiligt. Mit dem anderen, ebenfalls zu 50 % beteiligten Gesellschafter der P-GmbH hatte sie sich zwecks gemeinsamer Stimmrechtsausübung zu einer GbR zusammengeschlossen. Zwischen der P-GmbH und dieser GbR bestand ein Ergebnisabführungsvertrag (Mehrmütterorganschaft).
Bei der Anteilsbewertung auf den 31.12.1992 und 1993 gem. Abschn. 11 Abs. 4 VStR 1993 bezog das FA nur die Mehrheitsbeteiligungen in die Sonderbewertung nach Satz 1 Nr. 1 der Regelung ein. Die Beteiligung an der P-GmbH erfasste es beim übrigen Betriebsvermögen i.S.d. Satzes 1 Nr. 2 Sätze 1 und 3 der Regelung. Demgegenüber verlangte die Klägerin unter Berufung auf Abschn. 11 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 VStR 1993, die Ergebnisse der P-GmbH bei der Ermittlung des Ertragshundertsatzes ebenfalls unberücksichtigt zu lassen, um die Ergebnisse dieser Organgesellschaft nicht doppelt zu erfassen.
Entscheidung
Dieses Begehren hatte auch beim BFH keinen Erfolg. Vielmehr folgerte er aus dem Wortlaut und der Systematik des Abschn. 11 Abs. 4 Satz 1 VStR 1993, dass diese Sonderregelung auch bei Beteiligungen an Organgesellschaften eine Beteiligung von mehr als 50 % voraussetzt. Daran ändert Satz 1 Nr. 2 Satz 4 der Regelung nichts, ohne deshalb leerzulaufen.
Dieser Satz 4 bewirkt, dass nicht auf die Erträge aus der Beteiligung an der Organgesellschaft abzustellen ist, sondern unabhängig von ihrer Ausschüttung auf die Gewinne und zusätzliche auf die Verluste.
Hinweis
Sind Anteile an einer Kapitalgesellschaft zu bewerten, die nicht börsennotiert sind und deren gemeiner Wert sich auch nicht aus weniger als ein Jahr zurückliegenden Verkäufern ableiten lässt, ist deren Wert nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen. Die dafür von der Verwaltung vorgegebene und von der Rechtsprechung als geeignet anerkannte Schätzungsmethode nach dem Stuttgarter Verfahren, wie sie zuletzt in den VStR 1993/1995 geregelt war und nunmehr Teil der ErbStR 1999/2003 ist, sieht ein dreifach gestaffeltes System zur Vermeidung des sog. Kaskadeneffekts vor, der sich dann einstellt, wenn für die Kapitalgesellschaft, deren Anteile zu bewerten sind, ihrerseits an Kapitalgesellschaften beteiligt ist, bezüglich derer ebenfalls eine Anteilsbewertung nach dem Stuttgarter Verfahren durchzuführen war.
Die erste Kategorie bilden die reinen Holdinggesellschaften. Deren Anteile sind nur nach dem Vermögenswert zu bewerten (Abschn. 11 Abs. 1 VStR 1993/1995; R 103 Abs. 1 ErbStR 1999/2003). Die Ertragsaussichten der Holdinggesellschaften bleiben außer Betracht.
Eine zweite Kategorie bilden solche Kapitalgesellschaften, deren Vermögen zu mehr als 80 % bzw. 75 % aus Anteilen an Kapitalgesellschaften besteht. Für sie gilt dasselbe wie für reine Holdinggesellschaften (Abschn. 11 Abs. 2 VStR 1993/1995; R 103 Abs. 2 ErbStR 1999/2003).
Die dritte Kategorie erfasst Kapitalgesellschaften, die an anderen Kapitalgesellschaften zu mehr als 50 % beteiligt sind, aber weder unter Kategorie 1 noch unter Kategorie 2 fallen. Für diese Kapitalgesellschaften sieht Abschn. 11 Abs. 4 Satz 1 VStR 1993/1995 bzw. R 103 Abs. 4 Satz 1 ErbStR 1999/2003 ein zweistufiges Bewertungsverfahren vor. Der Teil des Gesellschaftsvermögens, der aus Beteiligung von mehr als 50 % an anderen Kapitalgesellschaften besteht, ist nur beim Vermögenswert zu erfassen. Das übrige Vermögen ist nach den allgemeinen Regeln des Stuttgarter Verfahrens zu bewerten. Damit bleiben die Erträge, die von den Mehrheitsbeteiligungen stammen, unberücksichtigt.
Letzteres wird in Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 der Regelungen noch einmal ausdrücklich ausgesprochen. Anschließend heißt es jeweils in einem Satz 4, dies gelte auch für Gewinne und Verluste einer Organgesellschaft, die der Organträger aufgrund eines Ergebnisabführungsvertrags übernommen hat. Diesen Satz 4 verstand die Klägerin so, dass von Organgesellschaften stammende Erträge generell bei der Bewertung der Anteile an dem Organträger nicht zu berücksichtigen seien, und zwar unabhängig davon, ob der Organträger zu mehr als 50 % an der Organgesellschaft beteiligt ist oder – wie bei einer Mehrmütterorganschaft möglich – nicht. Dem ist der BFH entgegengetreten, wie aus dem Leitsatz ersichtlich ist.
Dass Abschn. 12 VStR 1993/1995 bzw. R 1...