Leitsatz
Eine "Anteilsrotation" begründet in der Person der Erwerberin der veräußerten Geschäftsanteile nicht schon deshalb einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten, weil die Erwerberin die Gesellschaft anschließend liquidiert. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Veräußerer der Gesellschaftsanteile auf die Erwerberin keinen beherrschenden Einfluss ausüben können.
Normenkette
§ 42 AO , § 17 Abs. 1 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GmbH, die Unternehmensberatung betreibt. Im Streitjahr 1990 erwarb sie alle Geschäftsanteile an einer anderen GmbH von deren sieben Gesellschaftern, von denen keiner wesentlich beteiligt war. Diese GmbH bestand seit 1979. Sie wurde kurz nach dem Anteilskauf liquidiert. Ihre Gewinne wurden ausgeschüttet und unter KSt-Anrechnung als Ertrag von der Klägerin versteuert. Außerdem wurde die Beteiligung auf 0 abgeschrieben. Das FA erkannte weder die Ausschüttung noch die Teilwertabschreibung steuerlich an; es läge ein Rechtsmissbrauch vor.
Entscheidung
Anders als das FG (EFG 1997, 1120) teilte der BFH diese Ansicht nicht. Alle Maßnahmen, die die Klägerin als Anteilserwerberin getroffen habe, seien "systemkonform" und nicht missbräuchlich. Weswegen der BFH dies so sieht, ergibt sich im Wesentlichen bereits aus den Praxis-Hinweisen (und dort besonders unter 2.). Darauf ist zu verweisen.
Hinweis
1. Unter dem griffigen Kürzel der Anteilsrotation versteht man gängigerweise den Versuch, bei Beteiligungen oberhalb der Wesentlichkeitsgrenze gem. § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG steuerpflichtige Gewinnausschüttungen in steuerfreie oder gem. § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG a.F. steuerbegünstigte Gewinne umzufunktionieren und die Einmalbesteuerung entsprechender Veräußerungsgewinne gem. § 17 zu unterlaufen. Der BFH hält solche Gestaltungsmodelle gemeinhin allenfalls in Ausnahmefällen für missbräuchlich (§ 42 AO), in denen die Veräußerung der Anteile an eine eigens errichtete GmbH erfolgt, die kurzfristig später liquidiert wird, ansonsten jedoch nicht (s. im Einzelnen Gosch in Kirchhof, EStG, 1. Aufl., § 17 Rn 312 ff.).
Allerdings hat der Gesetzgeber solchen Gestaltungen – erstmals für Anteilserwerbe im VZ 1997 – durch § 50c Abs. 11 EStG a.F. (Verbot der Teilwertabschreibung) und – vom VZ 1999 an – durch die Absenkung der Beteiligungs- und Besteuerungsgrenze auf zunächst 10 % und nunmehr – vom VZ 2001 an – sogar 1 % vorgebeugt. Dadurch und spätestens nach dem Systemwechsel vom körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungs- auf das Halbeinkünfteverfahren haben sich entsprechende Gestaltungen letztlich erledigt. Seitdem werden Dividenden und Veräußerungsgewinne im Grundsatz gleichbehandelt (vgl. § 3 Nr. 40; § 8b KStG). Zu Ungleichbehandlungen kommt es nur noch für nicht i.S.v. § 17 EStG Beteiligte, im Wesentlichen also nur noch für (private) Streubesitzaktionäre börsennotierter AG.
2. Vor diesem Hintergrund stellt das jüngste BFH-Urteil, in dem weder § 17 EStG n.F. noch § 50c Abs. 11 EStG a.F. anzuwenden waren, einen absoluten Altfall dar. Ihm kommt deshalb, jedenfalls was die konkrete Frage der Rotation anbelangt, nur noch ein gewisser Vergangenheitswert für laufende Verfahren zu.
Danach gilt: Entscheidet sich der "erfinderische" und gut beratene Steuerpflichtige für die folgende mehrstufige Gestaltungs-Schrittfolge, nämlich
- den Erwerb der Anteile an einer GmbH,
- die (auch zeitnahe) Auflösung dieser GmbH,
- die anschließende Ausschüttung deren Gewinne,
- die Teilwertabschreibung auf die "liquidierte" Beteiligung und schließlich
- die Anrechnung der KSt,
so ist dieses Vorgehen steuerlich grundsätzlich unverdächtig und löst keinen Vorwurf des Gestaltungsmissbrauchs aus.
Das gilt auch dann, wenn der Anteilserwerb fremdfinanziert und der Liquidationsgewinn möglicherweise nicht "marktgerecht" ist, oder wenn der Anteilserwerb per se nicht zum Unternehmensgegenstand des Erwerbers gehört. Als ausschlaggebend erachtet es der I. Senat des BFH, der der "flächendeckenden" Anwendung von § 42 AO traditionell recht skeptisch gegenübersteht, vielmehr einmal mehr, dass die einzelnen Schritte entsprechend der Gesetzessystematik von § 17 und § 20 und § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG "zusammengreifen" und insofern "gewollt" sind. Es ist auch nicht missbräuchlich, wenn der Steuerpflichtige sich diese Systematik und etwaige "Brüche" in den systematischen Zusammenhängen zunutze macht.
Anders kann es sich allenfalls dann verhalten, wenn nicht die "erworbene" GmbH, sondern der zwischengeschaltete Erwerber alsbald nach Erfüllung des steuerbegünstigten Tatbestands liquidiert wird. Dann besteht der "Verdacht", dass nur ein künstlicher Zwischenschritt geschaffen werden sollte, um laufende Gewinne in steuerfreie Veräußerungsgewinne zu transferieren.
Es schadet indes nicht, wenn die "erworbene" GmbH kurzfristig liquidiert wird, ebenso wenig deren "Liquidationsreife" bei Anteilserwerb. Zwar hat der VIII. Senat des BFH dies im Urteil vom 7.7.1998, VIII R 10/96 (BStBl II 1999, 729) anders gesehen, allerdings für einen sehr besonders gelagerten Sachverhalt. V...