Leitsatz
Der einzige verbleibende Gesellschafter einer grundbesitzenden GmbH verwirklicht den Tatbestand einer Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG auch dann, wenn nicht er selbst, sondern die GmbH den Geschäftsanteil des anderen Gesellschafters kauft.
Normenkette
§ 1 Abs. 3, § 16, § 18, § 19 GrEStG, § 33 GmbHG
Sachverhalt
Der Kläger und der weitere Gesellschafter (O) gründeten 2001 eine GmbH, deren Stammkapital von 50.000 EUR sie je zur Hälfte übernahmen. In den Jahresabschlüssen der GmbH seit 2003 wurde angegeben, dass die Geschäftsanteile voll eingezahlt seien. Die GmbH erwarb im Jahr 2004 Grundbesitz. Am 28.12.2005 trat O seinen Geschäftsanteil an die GmbH ab. In dem Vertrag heißt es u.a., der Kaufpreis für den Geschäftsanteil von 50.000 EUR sei bereits bezahlt. Einen Hinweis auf den Grundbesitz der GmbH enthält der Vertrag nicht. Der beurkundende Notar übersandte die Vertragsurkunde mit Kurzbrief vom 29.12.2005 an das FA, ohne auf den Grundbesitz der GmbH hinzuweisen.
Das FA nahm an, durch die notarielle Urkunde vom 28.12.2005 sei eine Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG) verwirklicht worden und setzte gegen den Kläger Grunderwerbsteuer fest. Während des Einspruchsverfahrens schlossen der Kläger, seine Ehefrau, O und die GmbH am 14.12.2007 einen notariell beurkundeten Vertrag, durch den der Vertrag vom 28.12.2005 mit sofortiger Wirkung aufgehoben wurde. Ferner teilte O seinen Geschäftsanteil in zwei Geschäftsanteile mit Nominalwerten von 20.000 EUR und 5.000 EUR. Den Geschäftsanteil im Nominalwert von 20.000 EUR verkaufte O an die GmbH, den anderen Geschäftsanteil verkaufte er an die Ehefrau des Klägers. O trat die Geschäftsanteile zugleich an die Käufer ab und erklärte, die Geschäftsanteile seien voll eingezahlt.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG sah die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG als erfüllt an. Der Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG stehe mangels ordnungsgemäßer Anzeige des Erwerbsvorgangs § 16 Abs. 5 GrEStG entgegen (Niedersächsisches FG, Urteil vom 12.12.2012, 7 K 122/09, Haufe-Index 3699267).
Entscheidung
Dies hat auch der BFH so gesehen und ist der Vorentscheidung im Ergebnis gefolgt.
Hinweis
Die Entscheidung veranschaulicht die "Tücken" des Steuertatbestands der Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 GrEStG) und der besonderen Anforderungen an die Rückgängigmachung (§ 16 Abs. 2 GrEStG) eines solchen Erwerbsvorgangs.
1. Wer 95 % der Anteile einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft in einer Hand i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG vereinigt, wird grunderwerbsteuerrechtlich so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben. Dahinter steht die Vorstellung, dass demjenigen, der mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft in seiner Hand vereinigt, eine dem zivilrechtlichen Grundstückseigentum vergleichbare Rechtszuständigkeit an dem Gesellschaftsgrundstück zuwächst.
2. Ausgehend von dieser § 1 Abs. 3 GrEStG zugrunde liegenden Vorstellung hat der BFH bereits entschieden, dass sowohl von der grundstücksbesitzenden Gesellschaft gehaltene eigene Anteile wie auch die von einer 100 %igen Tochtergesellschaft gehaltenen Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft (wechselseitige Beteiligung) unberücksichtigt bleiben (vgl. BFH, Urteil vom 18.9.2013, II R 21/12, BFH/NV 2014, 450, BFH/PR 2014, 144). Diese Linie verfolgt der BFH nunmehr für den Fall weiter, dass die grundbesitzende Gesellschaft selbst die Anteile eines Gesellschafters kauft. Der einzig verbliebene Gesellschafter, der mindestens 95 % der nicht von der Kapitalgesellschaft selbst gehaltenen Anteile an dieser hält, beherrscht das Vermögen der Gesellschaft in gleicher Weise, wie wenn der Gesellschaft selbst keine Anteile zustünden. Dies gilt nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG ebenso dann, wenn dem Anteilserwerb der Gesellschaft kein schuldrechtliches Geschäft vorausgegangen ist.
3. Die Besprechungsentscheidung führt eindringlich die Risiken vor Augen, die sich aus der unterlassenen oder unzureichenden Anzeige einer Anteilsvereinigung ergeben. § 16 Abs. 5 GrEStG – in der bis 30.7.2014 geltenden Fassung – versagt im Fall der Rückgängigmachung einer Anteilsvereinigung den Anspruch auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer oder auf Aufhebung der Steuerfestsetzung, wenn der Erwerbsvorgang nicht ordnungsgemäß angezeigt wurde. Zwar hatte die BFH-Rechtsprechung der letzten Jahre den Steuerpflichtigen wegen der gravierenden Rechtsfolgen des § 16 Abs. 5 GrEStG gewisse Erleichterungen bei der "ordnungsgemäßen" Anzeigeerstattung zugebilligt. Unverzichtbar war aber stets, dass die Anzeige der Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen FA übermittelt werden musste oder sich doch jedenfalls nach ihrem Inhalt eindeutig an die Grunderwerbsteuerstelle richtete. Nicht ordnungsgemäß ist daher eine Anzeige, die weder an die Grunderwerbsteuerstelle gerichtet noch als Anzeige nach dem GrEStG gekennzeichnet war.
4. Zu beachten ist, dass nach der ab 31.7.2014 geltenden Ne...