Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
1. Der Antrag auf Besteuerung der Kapitaleinkünfte aus einer unternehmerischen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nach der tariflichen Einkommensteuer unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens ist spätestens zusammen mit der Einkommensteuererklärung für den jeweiligen Veranlagungszeitraum zu stellen (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG). Ein entsprechender Antrag kann auch vorsorglich gestellt werden (Anschluss an das Senatsurteil vom 28. Juli 2015 – VIII R 50/14, BFHE 250, 413, BStBl II 2015, 894).
2. Die Antragsfrist des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG gilt auch, wenn Kapitalerträge in Gestalt verdeckter Gewinnausschüttungen aus einer unternehmerischen Beteiligung erst durch die Außenprüfung festgestellt werden und der Steuerpflichtige in der unzutreffenden Annahme, keine Kapitalerträge aus der Beteiligung erzielt zu haben, in seiner Einkommensteuererklärung keinen Antrag gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG gestellt hat.
3. Kennt der Steuerpflichtige das Antragsrecht gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG, stellt aber gleichwohl keinen entsprechenden Antrag, weil er wegen eines Irrtums über die zutreffende Qualifikation seiner Einkünfte annimmt, keine Kapitalerträge in Gestalt verdeckter Gewinnausschüttungen aus der Beteiligung zu erzielen, liegt darin kein Fall höherer Gewalt i.S. von § 110 Abs. 3 AO.
Normenkette
§ 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG, § 110 Abs. 3 AO
Sachverhalt
Der Kläger war Alleingesellschafter der A-GmbH. Diese war 100 % Anteilseignerin der B-GmbH, für die der Kläger als Geschäftsführer tätig war. Für seine Tätigkeit als Geschäftsführer bezog er von der B‐GmbH ein Gehalt sowie eine Tantieme. Außerdem erhielt er von der B‐GmbH Honorare für Beratungsleistungen als Rechtsanwalt. Die A‐GmbH schüttete in den Streitjahren keine Gewinne aus.
In seinen Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2010 und 2011 erklärte der Kläger Einkünfte aus selbstständiger und nichtselbstständiger Arbeit. In der Anlage KAP erklärte er keine Einkünfte aus einer unternehmerischen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft und stellte keinen Antrag auf Anwendung der tariflichen Einkommensteuer. Er beantragte die Günstigerprüfung sowie die Überprüfung des Steuereinbehalts. Das FA setzte die Steuer erklärungsgemäß fest. Die Steuerbescheide standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Im Rahmen einer Außenprüfung gelangte das FA zu der Auffassung, dass ein Teil der Geschäftsführergehälter und des Entgelts für die Beratungsleistungen sowie die Tantieme als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) zu qualifizieren seien. Die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens lehnte es bei der Änderung der Steuerbescheide ab, da der Antrag gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG nicht rechtzeitig mit der Einkommensteuererklärung gestellt worden sei. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 AO wurde nicht stattgegeben.
Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg (FG München, Urteil vom 15.6.2016, 9 K 190/16, Haufe-Index 9659732, EFG 2016, 1503). Nach Auffassung des FG sei § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG teleologisch einschränkend dahin auszulegen, dass die Antragsfrist nicht gelte, wenn dem Steuerpflichtigen aus der jeweiligen Kapitalbeteiligung ausschließlich vGA zugeflossen seien.
Entscheidung
Der BFH hat der Revision des FA stattgegeben, das FG-Urteil aufgehoben und die Klage als unbegründet abgewiesen.
Hinweis
1. Die Einkünfte des Anteilseigners aus einer vGA fallen unter § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, sodass grundsätzlich der Abgeltungsteuersatz des § 32d Abs. 1 EStG i.H.v. 25 % anwendbar ist. Es besteht jedoch unter den Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG die Möglichkeit, die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens zu beantragen. In diesem Fall unterliegen die Kapitalerträge der tariflichen Steuer (§ 32a EStG) sowie der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 40 EStG. Das Verlustverrechnungsverbot des § 20 Abs. 6 EStG und das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG finden keine Anwendung (§ 32d Abs. 2 Satz 2 EStG).
2. Der Kläger hatte im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG an sich erfüllt. Er war mittelbar an der GmbH, die die vGA vornahm, zu mindestens 25 % beteiligt. Weitere Voraussetzung ist jedoch nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG ein Antrag, der spätestens zusammen mit der Einkommensteuererklärung für den jeweiligen VZ gestellt wird. Diese im Gesetz normierte zeitliche Befristung der Antragstellung legt der BFH auch bei Vorliegen einer vGA sehr eng aus. Danach muss der Antrag mit der "ersten" Einkommensteuererklärung, die beim FA eingereicht wird, gestellt werden.
Kein Wiederaufleben des Antragsrechts
Eine i.S.d. § 153 AOberichtigte Erklärung führt nicht dazu, dass das Antragsrecht wieder auflebt. Dies gilt auch dann, wenn in der berichtigten Erklärung erstmals die Einkünfte aus der vGA erklärt werden.
3. Einer teleologischen Reduktion der Regelung über die Antragsfrist des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG im Fall einer vGA hat der BFH eine Absa...