Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Stellt ein ausschließlich Arbeitslohn beziehender Arbeitnehmer den Antrag auf ESt-Veranlagung für Veranlagungszeiträume vor 2005 erst nach dem 28.12.2007, ist er, soweit Verjährungsfristen nicht entgegenstehen, gem. § 46 Abs. 2 Nr. 8 i.V.m. § 52 Abs. 55j EStG i.d.F. vom 20.12.2007 zu veranlagen.
2. Die inzwischen aufgehobene zweijährige Antragsfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG a.F. gilt insoweit nicht fort.
Normenkette
§ 46 Abs. 2 Nr. 8 i.V.m. § 52 Abs. 55j EStG vom 20.12.2007
Sachverhalt
K, Eheleute, reichten am 07.02.2008 ihre ESt-Erklärung für 2004 ein. Die Klägerin hatte keine, der Kläger nur Lohneinkünfte erzielt. Das FA lehnte die Durchführung der ESt-Veranlagung wegen Versäumung der Abgabefrist (2 Jahre, § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG) ab. Die rückwirkende Aufhebung der Frist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG a.F. durch das Jahressteuergesetz 2008 (vom 20.12.2007, BGBl I 2007, 3150) gelte nach § 52 Abs. 55j EStG i.d.F. des JStG 2008 (EStG n.F.) nur, wenn bis zum 28.12.2007 über einen Antrag auf Veranlagung zur ESt noch nicht bestandskräftig entschieden worden sei. Da der Antrag erst nach dem 28.12.2007 gestellt sei, sei die alte Rechtslage anzuwenden.
Das FG (Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 11.12.2008, 6 K 1801/08, Haufe-Index 2103407, EFG 2009, 413) wies die dagegen erhobene Klage ab.
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verurteilte das FA zur Durchführung der ESt-Veranlagung.
Hinweis
Noch einmal geht es um § 46 EStG. Der war dem BVerfG zur verfassungsrechtlichen Prüfung vorgelegt worden (Vorlagebeschlüsse des BFH vom 22.05.2006, VI R 49/04, BFH/NV 2006, 1933, BFH/PR 2006, 477; VI R 46/05, BFH/NV 2006, 1946, BFH/PR 2006, 476). Das BVerfG musste aber nicht entscheiden, denn der Gesetzgeber änderte § 46 EStG mit dem Jahressteuergesetz (JStG) 2008.
Auf dieser Änderung beruht das Besprechungsurteil, in dem einzig die Frage streitig war, ob § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG i.d.F. vor der Änderung (a.F.) oder in der neuen Fassung (n.F.) des JStG 2008 anwendbar ist. Der Unterschied: Nach alter Fassung war der Antrag auf Durchführung der ESt-Veranlagung fristgebunden, nämlich bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden zweiten Kalenderjahrs zu stellen. Die neue Fassung sah dagegen keine Frist mehr vor.
1. Welche Fassung anwendbar ist, normiert § 52 Abs. 55j EStG n.F. Danach ist § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG n.F. erstmals für den Veranlagungszeitraum 2005 anzuwenden sowie in Fällen, in denen am 28.12.2007 über einen Antrag auf Veranlagung zur ESt noch nicht bestandskräftig entschieden ist.
Eine bestandskräftige Ablehnung des Antrags auf Durchführung der ESt-Veranlagung lag hier nicht vor. Weiterer Voraussetzungen bedürfte die Veranlagung nicht (BFH, Urteil vom 15.01.2009, VI R 23/08, BFH/NV 2009, 755, BFH/PR 2009, 253). Daher war die ESt-Veranlagung durchzuführen. Der BFH folgt insbesondere nicht der Auffassung der Finanzverwaltung, dass der Antrag auf Veranlagung für Veranlagungszeiträume vor 2005 bereits vor dem 28.12.2007 bei den Finanzbehörden eingegangen sein müsse.
2. Zu beachten ist: Der Gesetzgeber mag zwar diese Vorstellung gehabt haben (BTDrucks. 16/7036, 17 ff.). Nachdem dies jedoch im Gesetz selbst keinen Niederschlag gefunden hatte, blieb keine Grundlage für eine Auslegung allein nach dem subjektiven Willen der an der Gesetzgebung Beteiligten (BFH, Urteil vom 24.06.1999, IV R 33/98, BFH/NV 1999, 1550).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 12.11.2009 – VI R 1/09