(1) Die Europäische Staatsanwaltschaft (EUStA) ist nach der Verordnung (EU) 2017/1939 (EUStA-VO) zuständig bei bestimmten Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union. Die Zuständigkeit der EUStA ergibt sich aus Artikel 22 Abs. 1 bis 3 EUStA-VO und umfasst im Wesentlichen Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union, die in der Richtlinie (EU) 2017/1371 (PIF-RL) in ihrer Umsetzung in nationales Recht festgelegt sind. Für Straftaten, die gemäß Artikel 22 Abs. 1 Satz 2 EUStA-VO in Artikel 3 Abs. 2 Buchstabe d der PIF-RL in ihrer Umsetzung in nationales Recht festgelegt sind, ist die EUStA nur zuständig, wenn die vorsätzlichen Handlungen oder Unterlassungen nach dieser Bestimmung mit dem Hoheitsgebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten verbunden sind und der zu erwartende Gesamtschaden mindestens 10 Mio. € umfasst.
(2) Gemäß Artikel 24 Abs. 1 EUStA-VO haben die nach nationalem Recht zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten der EUStA unverzüglich jede Straftat zu melden, für die die EUStA ihre Zuständigkeit gemäß Artikel 22, 25 Abs. 2 und 3 EUStA-VO ausüben könnte. Leitet eine Strafverfolgungsbehörde wegen einer solchen Straftat ein Ermittlungsverfahren ein oder bestehen Anhaltspunkte, dass nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens eine Zuständigkeit der EUStA gegeben sein könnte, unterrichtet sie die EUStA gemäß Artikel 24 Abs. 2 EUStA-VO unverzüglich. Für bereits anhängige Ermittlungsverfahren gilt dies, soweit die Straftaten nach dem 20. November 2017 begangen wurden.
(3) Der Bericht an die EUStA hat mindestens eine Beschreibung des Sachverhalts einschließlich einer Bewertung des entstandenen oder voraussichtlichen Schadens, die mögliche rechtliche Würdigung und alle vorliegenden Informationen über mögliche Opfer, Verdächtige und andere Beteiligte zu enthalten (vgl. Artikel 24 Abs. 4 EUStA-VO). Die EUStA stellt hierzu ein Formular (EPPO Crime Report - ECR) zur Verfügung, welches über die Geschäftsstellen der Zentren der Delegierten Europäischen Staatsanwälte in Deutschland angefordert werden kann.
(4) Grundsätzlich kann jede nationale Behörde unmittelbar mit der EUStA Kontakt aufnehmen. Dabei steht es grundsätzlich im Ermessen der nationalen Behörde, ob sie sich an die Zentrale der EUStA in Luxemburg oder unmittelbar die jeweiligen nationalen Delegierten Europäischen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte (DEStAs) wendet; allerdings sollte zur Vereinfachung und Beschleunigung eine Meldung bzw. Unterrichtung an die zuständigen deutschen DEStAs in den Zentren Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln oder München gerichtet werden. Bei Bestehen einer Meldepflicht nach Artikel 24 Abs. 1 EUStA-VO sollte frühzeitig mit dem zuständigen deutschen Zentrum der Delegierten Europäischen Staatsanwälte das weitere Vorgehen abgestimmt werden.
(5) Sobald die EUStA ein Ermittlungsverfahren eingeleitet oder ein bereits eingeleitetes Verfahren übernommen hat, findet die Kommunikation direkt und ausschließlich mit den zuständigen deutschen DEStAs statt.
(6) Zur Förderung der Zusammenarbeit mit der EUStA empfehlen sich regelmäßige Kontaktgespräche mit den DEStAs des jeweils zuständigen Zentrums.
(7) Länderspezifische Regelungen sind zu beachten.