Leitsatz
Ist Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 VO Nr. 2988/95 auf die Rückforderung einem Ausführer zu Unrecht gewährter Ausfuhrerstattung anzuwenden, auch wenn dieser keine Unregelmäßigkeit begangen hat?
Normenkette
Art. 3 VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95, Art. 52 Abs. 1 VO (EG) Nr. 800/1999
Sachverhalt
Ein für Ausfuhrerstattung haftender Zessionar soll für die Ausfuhr eines Schlachtrinds in die Türkei gewährte Ausfuhrerstattung zurückzahlen. Auf dem Transport war nämlich vor Verlassen des geografischen Gebiets der Gemeinschaft 1995 eines von 31 Tieren verendet. Der Ausführer hatte dies dem HZA auch angezeigt, erhielt jedoch trotzdem und trotz der entsprechenden Eintragung im Kontrollexemplar Ausfuhrerstattung für alle 31 Rinder.
Als das HZA diesen Fehler bemerkte, forderte es jedoch die Ausfuhrerstattung für das eine verendete Tier vom Ausführer zurück. Über dessen Vermögen war inzwischen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden und der Betrag wurde deshalb nicht zurückgezahlt.
Daher versuchte das HZA, allerdings erst 2001, den Rückforderungsbetrag bei der Bank durchzusetzen, welcher die Erstattungsansprüche abgetreten worden waren.
Entscheidung
Der BFH hat den EuGH um eine Vorabentscheidung (Art. 234 EG) ersucht.
Hinweis
1. Nach dem EuGH-Urteil vom 24.6.2004, Rs. C-278/02 ("Handlbauer" – EuGHE 2004, I-6171) enthält Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 VO Nr. 2988/95 nicht nur eine straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Verjährungsregelung, sondern regelt die Frist für die Rückforderung zu Unrecht gewährter Ausfuhrerstattung.
Diese u.a. der Entstehungsgeschichte der Vorschrift widersprechende Auslegung stellt der BFH-Vorlagebeschluss VII R 22/06 vom gleichen Tag (BFH-PR 2007, 360) allerdings zur erneuten Prüfung durch den EuGH.
2. Geht man mit der Rechtsprechung des EuGH von der Anwendbarkeit der Verjährungsregelung auf die Rückforderung von Ausfuhrerstattung aus, ergibt sich eine merkwürdige Konsequenz: Ein Ausführer, der eine Unregelmäßigkeit begangen hat, ist nach vier Jahren vor einer Rückforderung sicher. Und derjenige, der keine Unregelmäßigkeit begangen hat?
Vorgenannte Verordnung regelt sein Schicksal nicht und nur mit großer (nicht richterlicher, sondern rechtsschöpferischer) Fantasie kann man ihre Regelungen überhaupt entsprechend auf seinen Fall anwenden, vor allem weil es an einem Anknüpfungspunkt für den Beginn der Frist völlig fehlt (sonst ist es die Begehung der Unregelmäßigkeit!).
Beachten Sie, dass Art. 52 der VO (EG) Nr. 800/1999 inzwischen die Frage, wann der Rückforderungsanspruch gegenüber einem redlichen Ausführer verjährt, eigenständig geregelt hat.
3. Bejaht man die Vorlagefrage des BFH, ergäbe sich also u.a. die Folgefrage, wann die Frist nach der VO Nr. 2988/95 gegenüber dem redlichen Ausführer zu laufen begann (heute: mit Ergehen des begünstigenden Bescheids, sofern der Begünstigte dessen Unrechtmäßigkeit erkennen konnte). Man müsste sich auch fragen, ob sie nur für den Ausführer oder auch für Haftungsschuldner gilt (was allerdings im Ergebnis zu bejahen sein dürfte und sich unter Umständen allein aus dem nationalen Recht herleiten ließe).
Link zur Entscheidung
BFH, Vorlagebeschluss vom 27.3.2007, VII R 50/06