Leitsatz

Ein neu gegründetes Unternehmen kann die Kleinunternehmerregelung auch dann beanspruchen, wenn es entgegen seiner eigenen Prognose die Gesamtumsatzgrenze von 17.500 EUR im Erstjahr nicht überschreitet.

 

Sachverhalt

Nach längerer Zeit der Arbeitslosigkeit eröffnete der Kläger am 2.1.2006 einen Gewerbebetrieb zum Handel und zur Reparatur von Unterhaltungselektronik. Er schätzte seinen Gesamtumsatz im Fragebogen zur steuerlichen Erfassung im Jahr 2006 auf 45.000 EUR und im Jahr 2007 auf 50.000 EUR. Die Daten hatte er dem Businessplan seines Beraters entnommen, der erstellt worden war, um von der Bundesagentur für Arbeit die Förderungen für Existenzgründer zu erhalten. Der tatsächliche Jahresumsatz 2006 belief sich auf 11.479 EUR zuzüglich 1.836,64 EUR Umsatzsteuer. Abzüglich diverser Vorsteuerbeträge ergab sich eine Zahllast von 733,69 EUR. Der Kläger hatte im Laufe des Jahres 2006 jeweils monatliche Voranmeldungen eingereicht. Bei Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung beantragte er die Anwendung der Kleinunternehmerregelung. Von der Erhebung der Umsatzsteuer sei abzusehen, weil der Jahresumsatz 2006 tatsächlich weniger als 17.500 EUR betragen habe und im laufenden Kalenderjahr 2007 voraussichtlich 50.000 EUR nicht übersteigen werde. Auf einen gesonderten Ausweis der Umsatzsteuer in seinen Rechnungen hatte er unstreitig von Beginn an verzichtet. Nach Ansicht des Finanzamts war die Regelbesteuerung anzuwenden, weil der maßgebende "voraussichtliche" Umsatz nach eigenen Angaben des Unternehmers über 17.500 EUR gelegen habe.

 

Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts liegen die Voraussetzungen für die Nichterhebung der Umsatzsteuer nach § 19 Abs. 1 UStG vor. Danach wird die Umsatzsteuer nicht erhoben, wenn der gesamte Umsatz des Vorjahres 17.500 EUR nicht überschritten hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 EUR voraussichtlich nicht übersteigen wird. Die Vorschrift regelt nicht, wie bei Neugründungen von Unternehmen zu verfahren ist. Nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung und der ständigen BFH-Rechtsprechung ist im Gründungsjahr (Erstjahr) zwar auf den voraussichtlichen Umsatz abzustellen. Allerdings sind auch die Folgen einer (offenbar) unrichtigen Prognose nicht gesetzlich geregelt. Voraussetzung für die Bindung eines neu gegründeten Unternehmens an die von ihm erklärte Umsatzprognose ist nach Ansicht des Gerichts, dass dieser realistische Erwartungen zu Grunde lagen. Ob dies der Fall ist, kann rückwirkend anhand objektiver Anhaltspunkte überprüft werden. Weil die Prognose im Streitfall objektiv unrichtig war, konnte der Unternehmer die Kleinunternehmerregelung (quasi nachträglich) in Anspruch nehmen.

 

Hinweis

Natürlich ist die Entscheidung aus Unternehmersicht zu begrüßen, kommt sie doch faktisch einem rückwirkenden Wahlrecht gleich. Folgt man der Ansicht des Finanzgerichts, dass bei objektiv unrichtiger Prognose im Rahmen der Abgabe der Jahressteuererklärung auf den niedrigeren tatsächlichen Gesamtumsatz abgestellt werden kann, stellt sich zwangsläufig die Frage, ab welchen betragsmäßigen Differenzen die anfängliche Prognose objektiv unrichtig war. Dies dürfte zu weiteren Abgrenzungsproblemen führen, weshalb m. E. grundsätzlich dem BFH darin zu folgen ist, dass bei Neuaufnahme der unternehmerischen Tätigkeit allein auf den voraussichtlichen Umsatz des laufenden Kalenderjahres abzustellen ist (vgl. BFH, Urteil v. 22.11.1984, V R 170/83). Letztlich geht es ja für den Unternehmer zu Beginn seiner Tätigkeit um Planungssicherheit, insbesondere will/muss er wissen, ob er in seinen Rechnungen Umsatzsteuer gesondert ausweisen darf und mit entsprechenden Vorsteuerbeträgen rechnen kann. Die Sachverhaltsschilderung in der Urteilsbegründung erweckt den Eindruck, dass die überhöhte Schätzung der Umsätze im Businessplan erfolgt ist, um der Bundesanstalt für Arbeit eine vollwertige Existenzgründung zweifelsfrei darzulegen. Zur Anwendung der Kleinunternehmerregelung bei fehlendem Umsatz im Jahr der Unternehmensgründung hat die OFD Frankfurt mit Verfügung vom 13.9.2005 (DStR 2006 S. 186) ausführlich Stellung genommen.

 

Link zur Entscheidung

FG Düsseldorf, Urteil vom 20.06.2008, 1 K 3124/07 U

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?