Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Der BFH hatte festgestellt, dass Übernachtungs- und Verpflegungsleistungen, die ein gemeinnütziger Verein im Zusammenhang mit steuerfreien Seminaren erbringt, nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.
Leistungen gemeinnütziger Einrichtungen können dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn die Leistungen im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden. Leistungen, die im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt werden, unterliegen dem ermäßigten Steuersatz nur dann, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen dient und nicht in Konkurrenz zu anderen Unternehmen tritt.
Die Finanzverwaltung hatte schon früher dazu festgelegt, dass ein Zweckbetrieb in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen dient, wenn er sich zu mehr als 50 % aus derartigen Einnahmen finanziert.
Nach der Entscheidung des BFH unterliegen Übernachtungs- und Verpflegungsleistungen, die eine gemeinnützige Einrichtung im Zusammenhang mit steuerfrei ausgeführten Seminaren erbringt, nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG. Da allerdings die Übernachtungsleistungen seit dem 1.1.2010 nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG dem ermäßigten Steuersatz unterliegen und bei der Lieferung von Speisen ebenfalls der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. Anlage 2 zum UStG zur Anwendung kommen kann, hat sich das Problem ergeben, ob solche Umsätze in die Berechnung der 50 %-Grenze zur Anwendung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG einzubeziehen sind.
Die Finanzverwaltung stellt jetzt klar, dass zusätzliche Einnahmen zur Prüfung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG nur dann berücksichtigt werden, wenn sie wettbewerbsrelevant sind. Leistungen sind dann nicht wettbewerbsrelevant, wenn sie auch bei allen anderen Unternehmern dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Damit sind die Übernachtungsleistungen und die Lieferung von Speisen nicht bei der Berechnung der 50 %-Grenze zu berücksichtigen.
Konsequenzen für die Praxis
Das Urteil des BFH betraf einen Fall, der für vor dem 1.1.2010 ausgeführte Übernachtungsleistungen den Regelsteuersatz von 19 % USt entstehen ließ. Seit 2010 unterliegen Übernachtungsleistungen dem ermäßigten Steuersatz, sodass sich systematisch das Problem des Steuersatzes nicht mehr stellt. Für die von der Finanzverwaltung aufgestellte Abgrenzungsregelung, ob im Rahmen eines Zweckbetriebs zusätzlich Einnahmen erzielt werden, die zu einer Wettbewerbsverzerrung führen könnten, hätte es sich aber ausgewirkt, ob § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a oder Nr. 11 UStG zur Anwendung kommt. Insoweit ist es zu begrüßen, dass die Finanzverwaltung die bei allen Unternehmern ermäßigt besteuerten Umsätze aus der Berechnung der 50 %-Grenze ausnimmt.
Die Grundsätze des BFH-Urteils (Veröffentlichung erfolgte am 13.6.2012) sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Für vor dem 1.1.2013 ausgeführte Umsätze wird es nicht beanstandet, wenn der Unternehmer entsprechende Leistungen bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG unterwirft.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 29.4.2014, IV D 2 – S 7242-a/12/10001, BStBl 2014 I S. 814