Zusammenfassung
Zahlreiche Unternehmen in der EU sehen sich einer wachsenden Anzahl von Nachhaltigkeitsvorschriften ausgesetzt. Insbesondere die Liefer- und Wertschöpfungsketten müssen diverse menschen- und umweltrechtliche Anforderungen erfüllen. Der Beitrag beschreibt, wer von den neuen unionsrechtlichen Lieferkettenregelungen erfasst wird und welche unterschiedlichen Anknüpfungspunkte der europäische Gesetzgeber hierfür gewählt hat. Es zeigt sich, dass nicht nur große Unternehmen Sorgfaltsvorschriften in Hinblick auf die eigenen Lieferketten einzuhalten haben, sondern auch kleine und mittlere Unternehmen bestimmten Pflichten ausgesetzt sein können.
Für die Liefer- bzw. Wertschöpfungsketten eines Unternehmens sind eine Vielzahl an Normen relevant, darunter nationale Normen, wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), aber insbesondere auch europäische Richtlinien und Verordnungen, darunter u. a. die Richtlinie (EU) 2024/1760 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2024 über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937 und der Verordnung (EU) 2023/2859 (CSDDD), die Verordnung (EU) 2023/1115 der Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. Mai 2023 über die Bereitstellung bestimmter Rohstoffe und Erzeugnisse, die mit Entwaldung und Waldschädigung in Verbindung stehen, auf dem Unionsmarkt und ihre Ausfuhr aus der Union sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 995/2010 (EUDR), der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten auf dem Unionsmarkt vom 14. September 2022, COM(2022) 453 final (EUFLR), die Verordnung (EU) 2023/1542 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2023 über Batterien und Altbatterien, zur Änderung der Richtlinie 2008/98/EG und der Verordnung (EU) 2019/1020 und zur Aufhebung der Richtlinie 2006/66/EG (Batterie-VO) sowie die Verordnung (EU) 2017/821 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2017 zur Festlegung von Pflichten zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten in der Lieferkette für Unionseinführer von Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erzen und Gold aus Konflikt- und Hochrisikogebieten (Konfliktmineralien-VO).
1 Unterschiedliche Anknüpfungspunkte des Anwendungsbereichs
Die Zeiten von freiwilliger Selbstverpflichtung sind in Hinblick auf Sorgfaltspflichten in der Lieferkette für zahlreiche Unternehmer in Deutschland spätestens seit Inkrafttreten des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) zu Ende gegangen. Seit dem 1.1.2023 sind Unternehmen mit Inlandssitz und mindestens 3.000 Arbeitnehmern (seit 1.1.2024 bereits ab 1.000 Arbeitnehmern) gehalten, menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu adressieren, um Risiken aus diesen Bereichen vorzubeugen, sie zu minimieren und bereits eingetretene Pflichtverletzungen zu beenden. Die maßgeblichen Schwellenwerte des LkSG dürften sich in naher Zukunft zwar aufgrund der EU-Lieferkettenrichtlinie Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) ändern, es gibt abseits der einzelstaatlichen Regelung aber bereits weitere unionsrechtliche Vorschriften, die für Unternehmen vergleichbare Sorgfaltspflichten statuieren – selbst, wenn diese Schwellenwerte unterschritten werden.
Die Antwort auf die Frage, welchen Sorgfaltspflichten der Unternehmer in Hinblick auf seine Liefer- bzw. Wertschöpfungskette nachkommen muss, ist zunächst davon abhängig, ob und welcher Anwendungsbereich der unterschiedlichen Regelungen in diesem Bereich eröffnet ist. Dabei lassen sich die Anknüpfungspunkte der Lieferkettenvorschriften grob in solche unterteilen,
- die bestimmte Merkmale des jeweiligen Unternehmens bzw. seiner Geschäftstätigkeit betreffen (sog. unternehmensbezogene Sorgfaltspflichtenregelungen), und solche,
- die unabhängig von dem jeweiligen Unternehmen aus Gründen der nachhaltigkeitsbezogenen Risikorelevanz einem bestimmten Gegenstand/Sektor innewohnen (sog. gegenstands- bzw. sektorbezogene Sorgfaltspflichtenregelungen),
- die eine Mischform aus den Vorgenannten darstellen (unternehmens- und gegenstands- bzw. sektorbezogene Sorgfaltspflichtenregelungen).
Während von der ersten Kategorie (= unternehmensbezogene Sorgfaltspflichtenregelungen) nur eine begrenzte Anzahl von Unternehmen erfasst wird, müssen die in den Anwendungsbereich fallenden Unternehmen eine Vielzahl unterschiedlichster menschenrechts- und umweltbezogener Risiken in der Lieferkette berücksichtigen. Hierunter fallen nach dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz beispielsweise die Missachtung der Koalitionsfreiheit, das Vorenthalten eines angemessenen Lohns, die Verwendung von Quecksilber und Quecksilberverbindungen bei Herstellungsprozessen oder die Ausfuhr bestimmter gefährlicher Abfälle – um nur einige zu nennen.
Demgegenüber erfasst die zweite Kategorie (= gegenstands- bzw. sektorbezogene Sorgfaltspflichtenregelungen) grundsätzlich alle Unternehmen, die in Zusa...