Leitsatz
1. Für den Vorsteuerabzug aus einer Anzahlung kommt es darauf an, dass der Gegenstand der späteren Lieferung aus Sicht des Anzahlenden genau bestimmt ist und die Lieferung daher aus seiner Sicht sicher erscheint.
2. Es ist unionsrechtskonform, dass die Berichtigung des Vorsteuerabzugs gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 1 Satz 2 UStG eine Rückzahlung voraussetzt.
Normenkette
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3, § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 UStG, Art. 167, Art. 185 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Der Kläger bestellte am 10.4.2010 bei einer GmbH die Lieferung eines Blockheizkraftwerks. Die GmbH bestätigte den Auftrag am 12.4.2010 und erteilte für den Liefergegenstand eine Vorausrechnung mit gesondertem Steuerausweis. Der Kläger meldete zeitgleich ein Gewerbe zur Erzeugung erneuerbarer Energien an und entrichtete die geforderte Anzahlung an die GmbH am 19.4.2010.
Am 26.4.2010 schloss der Kläger mit G2, einem Partnerunternehmen der GmbH, drei Verträge über Stellplatzmiete, Verwaltung (Pflichten in Bezug auf Aufstellung und Betrieb der Anlage) und "Premiumservice" (Aufrechterhaltung der Betriebsfähigkeit und Betriebssicherheit der Anlage). Die GmbH erteilte eine zweite Anzahlungsrechnung am 15.7.2010, in der auf die Zahlung vom 19.4.2010 hingewiesen wurde. Der Lieferzeitpunkt stand noch nicht fest.
Der Kläger beabsichtigte zunächst einen Eigenbetrieb der Anlage durch entgeltliche Stromlieferungen. Hierfür dienten die drei Verträge über Stellplatzmiete, Verwaltung und Premiumservice. Diese Verträge kündigte er am 19.10.2010 und verpachtete stattdessen die Anlage nunmehr an G2 gegen monatliche Pachtzahlungen. Für November und Dezember 2010 erhielt der Kläger Pachtzahlungen. Die Lieferung der Anlage unterblieb.
Über das Vermögen der GmbH wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und mangels Masse eingestellt. Die für die GmbH handelnden Personen wurden wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs in 88 Fällen und wegen vorsätzlichen Bankrotts zulasten der Käufer der Blockheizkraftwerke, nicht aber wegen Steuerhinterziehung strafrechtlich verurteilt. Das FA versagte den Vorsteuerabzug aus der Anzahlung. Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg (FG München, Urteil vom 16.7.2015, 14 K 277/12, Haufe-Index 8486611, EFG 2015, 1992).
Entscheidung
Nach Einholung eines Vorabentscheidungsersuchens bestätigte der BFH entsprechend bisheriger BFH-Rechtsprechung die Klagestattgabe durch die Vorinstanz.
Hinweis
1. Vorsteuerabzug und Vorsteuerberichtigung aus Anzahlungen an Zahlungsempfänger, die eine Lieferabsicht nur vorspiegeln, waren lange Zeit umstritten und veranlassten den BFH zu Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH, die dieser mit dem UrteilKollroß und Wirtl vom 31.5.2018 (EuGH, Urteil vom 31.5.2018, C-660/16, C-661/16, Haufe-Index 11754144, EU:C:2018:372) beantwortete.
2. Im Folgeurteil zur RechtssacheWirtl hatte der XI. Senat des BFH (BFH, Urteil vom 5.12.2018, XI R 44/14, BFH/NV 2019, 499), bereits entschieden, dass der Vorsteuerabzug aus einer geleisteten Vorauszahlung dem Erwerber eines Blockheizkraftwerks nicht zu versagen ist, wenn zum Zeitpunkt der Zahlung die Lieferung sicher erschien, weil alle maßgeblichen Elemente der zukünftigen Lieferung als ihm bekannt angesehen werden konnten, und anhand objektiver Umstände nicht erwiesen ist, dass er zu diesem Zeitpunkt wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass die Bewirkung dieser Lieferung unsicher war. Zudem setzt die Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG die Rückzahlung der geleisteten Vorauszahlung voraus.
3. Dem schließt sich der V. Senat in seinem nunmehr vorliegenden Folgeurteil zur RechtssacheKollroßvollumfänglich an. Dabei betont der BFH zum Vorsteuerabzug die Empfängersicht des Anzahlenden, nach der ein nach außen nicht offengelegter geheimer Vorbehalt des Anzahlungsempfängers ohne Bedeutung ist. Nach Maßgabe dieser Empfängersicht führt die Erteilung einer Anzahlungsrechnung für eine Leistung, die der Anzahlungsempfänger insgeheim nicht erbringen will, nicht zu einer Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG.
Zur Vorsteuerberichtigung weist der BFH auf die Regelungssystematik des § 17 Abs. 1Abs. 1 und 2 und Abs. 2 Nr. 2 UStG hin, die eine bedingungsgleiche Berichtigung von Steuerbetrag und Vorsteuerabzug beim Anzahlungsempfänger und beim Anzahlenden anordnet. Daher kommt es für die Vorsteuerberichtigung beim Anzahlenden auf die Rückzahlung an.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 17.7.2019 – V R 9/19 (V R 29/15)