Leitsatz
Im Revisionsverfahren stellt sich die Frage, ob die vom BMF zur Verfügung gestellte "Arbeitshilfe zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein bebautes Grundstück (Kaufpreisaufteilung)" bei der Aufteilung eines vertraglich vereinbarten Kaufpreises auf Grund und Gebäude für Zwecke der AfA-Bemessung zugrunde gelegt werden kann. Der Senat hat das BMF zum Beitritt zu diesem Verfahren aufgefordert (§ 122 Abs. 2 Satz 3 FGO).
Normenkette
§ 7 Abs. 4 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Grundstücksgemeinschaft, erwarb in einer großen deutschen Stadt eine sehr kleine Wohnung (≪ 40 qm) in einem Gebäude auf großem Grundstück. Die vertragliche Kaufpreisaufteilung (ca. 80 % Gebäude) übernahm das FA nicht, sondern ermittelte einen Gebäudeanteil von ca. 30 %. Das FG (FG Berlin-Brandenburg, Entscheidung vom 14.8.2019, 3 K 3137/19, Haufe-Index 13604116) übernahm dieses Ergebnis und hielt es für richtig. Die Klägerin hat ein Gutachten nicht vorgelegt; das FG hat ein solches nicht eingeholt.
Entscheidung
Der BFH hat das BMF zum Beitritt aufgefordert, weil er sich im Revisionsverfahren eingehend mit der Frage befassen will, welche Bedeutung der Arbeitshilfe im gerichtlichen Verfahren bei der Aufteilung des einheitlichen Kaufpreises zukommt. Diese Frage dürfte für die Finanzverwaltung von erheblicher Bedeutung sein.
Hinweis
1. Nach der Rechtsprechung des BFH ist eine vertraglich vereinbarte Kaufpreisaufteilung bei der Bemessung der AfA auf den Gebäudewert grundsätzlich zugrunde zu legen. Etwas anderes soll erst gelten, wenn es sich um ein Scheingeschäft oder einen Gestaltungsmissbrauch handelt oder wenn die vertragliche Kaufpreisaufteilung nach den Umständen des Falles die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint (BFH, Urteil vom 16.9.2015, IX R 12/14, BFH/NV 2016, 266, BFH/PR 2016, 60, BStBl II 2016, 397). Deswegen wird derzeit allenthalben die vertragliche Aufteilung empfohlen.
2. Liegt sie – wie im Besprechungsfall – vor, muss das FG trotzdem prüfen und ggf. feststellen, ob ein Ausnahmefall vorliegt. Ein Indiz kann sein, wenn der vereinbarte Grundstückswert den aktuellen Bodenrichtwert erheblich unterschreitet. Dabei ist ein Indiz noch kein Beweis, sondern zunächst einmal nur Anlass für eine genauere Überprüfung und Aufklärung des Sachverhalts.
3. Die Finanzverwaltung schlägt einen ganz anderen Weg ein. Ihre Arbeitshilfe soll ohne umfangreiche Sachaufklärung im Einzelfall zu einer sachgerechten Aufteilung führen. Wer diese nicht akzeptieren will, muss nach derzeitigem Stand einen Sachverständigen beauftragen.
4. Der Besprechungsfall zeigt, dass diese Ansätze nicht gut aufeinander abgestimmt sind. Schon dies ist Anlass, die Frage noch einmal einer gründlichen Prüfung zu unterziehen. Hinzu kommt, dass die Arbeitshilfe bei hohen Bodenrichtwerten tendenziell zu geringe Gebäudewertanteile auswirft, also profiskalisch wirkt. Es ist deshalb fraglich, ob sie – wie vom FG angenommen – der richterlichen Überzeugungsbildung ohne weiteres zugrunde gelegt werden kann.
5. Darüber hinaus ist dem BFH bewusst, dass weder die vertragliche Aufteilung noch die Arbeitshilfe alle Probleme lösen und dass die Bewertung hoch streitanfällig ist. Zudem sind im Schrifttum neue Vorschläge gemacht worden für eine sachgerechte Aufteilung (z.B. Jacoby/Geiling, DStR 2020, 481). Außerdem wird es mutmaßlich darum gehen, welche Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung zu stellen sind, wann geschätzt werden darf und welche Regeln dann zu beachten sind. Oberstes Gebot muss die Sachgerechtigkeit und Nachvollziehbarkeit der Aufteilung sein.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 21.01.2020, IX R 26/19