Karl-Heinz Steinke, Dr. Walter Schmidt
Vor etwa 50 Jahren lenkte Peter Drucker die Aufmerksamkeit der strategischen Unternehmensführung auf die "erfolgskritischen Faktoren" eines Unternehmens. Dieser Gedanke hat inzwischen Einzug in die betriebswirtschaftliche Ausbildung gefunden und dürfte zum Allgemeinwissen der Controller gehören. In der Praxis werden die erfolgskritischen Faktoren derzeit vor allem im Rahmen der Strategieentwicklung eingesetzt. Die operative Planung und Budgetierung nutzt häufig noch die Daten der Buchhaltung und daraus abgeleitete klassische Kennzahlen im Rahmen der Kosten- und Leistungsrechnung.
Gestaltung der Geschäftstätigkeit rückt in den Vordergrund des Controllings
Das wird sich mit der fortschreitenden Digitalisierung und Vernetzung ändern. In dem Maße, wie die Gestaltung der Geschäftsbeziehungen zum Kern des Controllings wird, rücken die erfolgskritischen Faktoren der Geschäftstätigkeit vor Ort in den Fokus der betriebswirtschaftlichen Zielsetzung, Planung und Steuerung. Damit werden die Fragen, welche Faktoren unter den jeweils spezifischen Bedingungen als erfolgskritisch einzuschätzen und wie sie zu messen sind, bestimmend für die Auswahl der geeigneten Kennzahlen sowohl in der strategischen als auch der operativen Planung, dem Budget sowie dem darauf aufsetzenden Berichtswesen.
Die Strukturen der Buchhaltung verlieren demgegenüber ihre Bedeutung für das Controlling. Im Gegenteil: Die geschäftsbezogenen Strukturen des Controllings werden zunehmend maßgeblich für die Strukturen der Buchhaltung. Dieser Kontextwechsel wurde bereits mit den IRFS und dem modifizierten HGB eingeleitet. Der Übergang zum Integrated Reporting wird dem Prozess zum Durchbruch verhelfen.
Durch diese Veränderungen wird Controlling 4.0 mit 2 Problemkreisen konfrontiert, für die jedes Unternehmen seine eigene Lösung erarbeiten muss:
- Die Spezifik der Geschäftsprozesse vor Ort erfordert differenzierte erfolgskritische Faktoren. Sofern die Geschäftstätigkeiten heterogen gestaltet sind, führt das in der Konsequenz auch zu differenzierten Zielen und Kennzahlen vor Ort. Das widerspricht der heute noch in vielen Unternehmen praktizierten Führung aller Bereiche nach einheitlich messbaren Zielen. Sie wird ersetzt durch eine Führung nach einheitlichen Prinzipien und Regeln, die agiles Handeln vor Ort ermöglichen. Differenzierte Agilität tritt an die Stelle der Einheitlichkeit.
- Wenn die Geschäftstätigkeiten vor Ort nicht mehr nach einheitlich messbaren Zielen gesteuert werden, muss das Controlling die Verbundenheit des Unternehmens auf andere Weise sicherstellen. Neben den einheitlichen Prinzipien und Regeln erfolgt das vor allem durch sachliche (z. B. über Pläne) und personelle Koordination. Das kann durch individuelle "Hausbesuche" ebenso geschehen wie durch regelmäßige Previews im Kreis der Führungskräfte. In größeren Unternehmen gehört auch ein eigenständiges Netzwerk der Verantwortlichen für die Controllingprozesse dazu.
Viele dieser Herangehensweisen gibt es schon. Andere werden sich entwickeln. In jedem Fall wird ihre Bedeutung zunehmen und Controlling 4.0 mitprägen.