Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
1. Die Aufforderung der Finanzverwaltung an einen Steuerpflichtigen, der seinen Gewinn im Wege der Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt, zu Beginn einer Außenprüfung einen Datenträger "nach GDPdU" zur Verfügung zu stellen, ist als unbegrenzter Zugriff auf alle elektronisch gespeicherten Unterlagen unabhängig von den gemäß § 147 Abs. 1 AO bestehenden Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten des Steuerpflichtigen zu verstehen und damit rechtswidrig (Anschluss an das BFH-Urteil vom 12.02.2020 ‐ X R 8/18, BFH/NV 2020, 1045).
2. Eine solche Aufforderung ist zudem unverhältnismäßig, wenn bei einem Berufsgeheimnisträger nicht sichergestellt ist, dass der Datenzugriff und die Auswertung der Daten nur in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen oder in den Diensträumen der Finanzverwaltung stattfindet (Bestätigung des Senatsurteils vom 16.12.2014 ‐ VIII R 52/12, BFHE 250, 1).
Normenkette
§ 193 Abs. 1, § 200 Abs. 1 und 2, § 5, § 118 Abs. 1, § 147 Abs. 1 und 6 AO, § 4 Abs. 3 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin war eine Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung nach dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz. Sie ermittelte ihren Gewinn im Streitzeitraum 2012 bis 2014 im Wege der Einnahmenüberschussrechnung. Das FA erließ für den Streitzeitraum gegenüber der Klägerin eine Prüfungsanordnung. Diese wurde bestandskräftig. Zusammen mit der Prüfungsanordnung forderte der Prüfer "die Überlassung eines Datenträgers nach GDPdU" (den Grundsätzen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen nach dem BMF-Schreiben vom 16.7.2001, IV D 2 ‐ S 0316 ‐ 136/01, BStBl I 2001, 415) zu Beginn der Betriebsprüfung an. Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der hiergegen erhobenen Klage statt (FG München, Urteil vom 27.6.2018, 1 K 2318/17, Haufe-Index 12475102, EFG 2018, 1845).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Zwar hat die Finanzbehörde im Rahmen einer Außenprüfung grundsätzlich das Recht, Einsicht in die nach § 147 AO gespeicherten Daten zu nehmen und das Datenverarbeitungssystem zur Prüfung dieser Unterlagen zu nutzen. Sie kann im Rahmen einer Außenprüfung auch verlangen, dass ihr die gespeicherten Unterlagen und Aufzeichnungen auf einem maschinell verwertbaren Datenträger zur Verfügung gestellt werden (§ 147 Abs. 6 Satz 2 Alternative 2 AO). Das FA hat jedoch keinen unbegrenzten Zugriff auf alle elektronisch gespeicherten Unterlagen des Steuerpflichtigen.
2. Für Steuerpflichtige, die ihren Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung ermitteln, ist der sachliche Umfang der Aufzeichnungs‐ und Aufbewahrungspflicht nach § 147 Abs. 1 AO im Regelfall auf solche Unterlagen begrenzt, die zum Verständnis und zur Überprüfung der für sie geltenden steuergesetzlichen Aufzeichnungspflichten, z.B. in § 4 Abs. 3 Satz 5, Abs. 7 EStG und § 22 UStG, von Bedeutung sind. Dies beschränkt zugleich den sachlichen Umfang der Zugriffsbefugnis der Finanzbehörde nach § 147 Abs. 6 AO. Ein Vorlageverlangen, das – wie im vorliegenden Fall – diesen Umfang überschreitet, ist rechtswidrig.
3. Denn der Verweis auf die "GDPdU" in der Prüfungsanordnung war zu unbestimmt. Er ließ nicht mit der gebotenen Klarheit erkennen, dass das FA nur die Überlassung derjenigen Datenbestände der Klägerin auf einem Datenträger verlangt hat, für die ihm eine Zugriffsbefugnis zusteht. Auch aus den Ausführungen der Einspruchsentscheidung ergab sich nicht, dass das FA eine Datenträgerüberlassung nur in Bezug auf diejenigen Daten verlangen wollte, für die die Klägerin Aufzeichnungs‐ und Aufbewahrungspflichten trafen.
4. Die Aufforderung zur Datenträgerüberlassung war zudem unverhältnismäßig, weil das FA auch außerhalb der Geschäftsräume der Klägerin und der Dienststelle, etwa auf den Dienstlaptops der Außenprüfer, auf die Daten der Klägerin zugreifen und diese auswerten wollte. Wie der BFH bereits entschieden hat, verbietet dies die Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung der geschützten Daten von Berufsgeheimnisträgern z.B. infolge eines Diebstahls des Prüfer-Notebooks. Dem ist dadurch Rechnung zu tragen, dass die Daten des Steuerpflichtigen nur in seinen Geschäftsräumen oder an Amtsstelle erhoben und verarbeitet werden dürfen.
5. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Vorgaben des BMF-Schreibens vom 14.11.2014 betreffend Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (BStBl I 2014, 1450, Rz. 168). Eine bindende Vorgabe für den Außenprüfer, die Daten ohne Zustimmung des Steuerpflichtigen nicht außerhalb der Geschäftsräume des Steuerpflichtigen und der Diensträume über einen Dienstlaptop auszuwerten, enthält dieses gerade nicht. Vielmehr sieht die Regelung lediglich vor, dass eine Mitnahme der Datenträger aus der Sphäre des Steuerpflichtigen im Regelfall nur in Abstimmung mit dem Steuerpflichtigen erfolgen "sollte". Dies ist nach Auffassung des BFH nicht ausreichend.
6. Ob die Aufforderung des FA auch deshalb rechtswidrig ...