LfSt Bayern v. 6.7.2009, S 1922.1.1 - 1/6 St 32/St 33
Mit Urteil vom 17.7.2008, I R 77/06 (BStBl 2009 II S. …) hat der BFH entschieden, dass
- vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 5 Karte 3.2.1 ESt-Kartei
- vgl. Anhang UmwStG Karte 9.1 ESt-Kartei
- die so genannte Theorie der finalen Entnahme keine ausreichende gesetzliche Grundlage habe und auf einer unzutreffenden Beurteilung der Besteuerungshoheit bei ausländischen Betriebsstätten inländischer Stammhäuser beruhe.
Die Entscheidung des BFH unter vorstehender Tz. 3 widerspricht der bis zum Veranlagungszeitraum 2006 geltenden Auffassung der Finanzverwaltung in Rz. 2.6.1 des BMF-Schreibens vom 24.12.1999 (BStBl 1999 I S. 1076, sog. Betriebsstätten-Erlass), wonach bei der Überführung von Wirtschaftsgütern aus dem inländischen Betrieb eines Steuerpflichtigen in seine ausländische Betriebsstätte eine Entnahme vorliegt, wenn der Gewinn der ausländischen Betriebsstätte aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens nicht der inländischen Besteuerung unterliegt.
Die Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder hat zur Anwendung der Grundsätze des BFH-Urteils vom 17.7.2008 (a.a.O.) Folgendes ergeben:
Die Grundsätze des BFH-Urteils sind über den entschiedenen Einzelfall nicht anzuwenden.
Der BFH hat die jahrzehntelang von Rechtsprechung und Verwaltung angewendete sog. Theorie der finalen Entnahme ausdrücklich aufgegeben. Er begründet seine geänderte Rechtsauffassung im Ergebnis mit einer geänderten Auslegung des Abkommensrechts, wonach die Überführung eines Wirtschaftsguts aus dem Inland in eine ausländische Betriebsstätte nicht (mehr) zu einem Verlust des Besteuerungsrechts an den im Inland entstandenen stillen Reserven führen soll. Deshalb bestehe kein Bedürfnis, den Vorgang als Gewinnrealisierungstatbestand anzusehen und es fehle an einer Rechtsgrundlage (während nach der früheren Rechtsprechung offenbar § 4 Abs. 1 EStG als ausreichend angesehen wurde).
Der Gesetzgeber geht hingegen mit der Aufnahme der gesetzlichen Entstrickungsregelungen im Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) vom 7.12.2006 (BGBl 2006 I S. 2782) von einer anderen Auslegung des Abkommensrechts aus. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG i.d.F. des SEStEG beinhaltet – ausweislich der Gesetzesbegründung – „eine Klarstellung zum geltenden Recht. Der bisher bereits bestehende höchstrichterlich entwickelte und von der Finanzverwaltung angewandte Entstrickungstatbestand der Aufdeckung der stillen Reserven bei Wegfall des deutschen Besteuerungsrechts auf Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens wird nunmehr gesetzlich geregelt und in das bestehende Ertragsteuersystem eingepasst.” (BT-Drs. 16/2710 S. 28). Mit der Anknüpfung der Entstrickung an den Verlust oder die Beschränkung des abkommensrechtlichen Besteuerungsrechts wird insbesondere der Fall der Überführung eines Wirtschaftsgutes von einem inländischen Betrieb in eine ausländische (DBA-) Betriebsstätte umfasst. Diese Auslegung des Abkommensrechts entspricht nicht nur den OECD-Grundsätzen (Kommentar zu Art. 7 OECD-MA 2005, Tz. 15), sondern auch der internationalen Verwaltungspraxis.
Im Vorgriff auf mögliche gesetzliche Regelungen sind für Überführungen und Übertragungen von Wirtschaftsgütern vor Anwendung der Entstrickungsregelungen im SEStEG die Grundsätze des BFH-Urteils über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden. Die gesetzlichen Entstrickungsregelungen des SEStEG (u.a. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG) werden von den Urteilsgrundsätzen nicht berührt.
Aus BMF-Schreiben vom 20.5.2009, IV C 6 – S 2134/07/10005, das im BStBl Teil I veröffentlicht wird.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1