Leitsatz
1. Wird im Zusammenhang mit der Aufhebung eines Kaufvertrags über ein Grundstück dieses weiterveräußert, verbleibt dem Ersterwerber die Möglichkeit der Verwertung einer aus dem ursprünglichen Erwerbsvorgang herzuleitenden Rechtsposition auch dann, wenn der Aufhebungs- und der Weiterveräußerungsvertrag in aufeinanderfolgenden Urkunden abgeschlossen werden.
2. Tritt der Ersterwerber in einem solchen Fall bei der Beurkundung des Weiterveräußerungsvertrags als Vertreter einer Kapitalgesellschaft als Zweiterwerberin auf und ist er an dieser Gesellschaft maßgeblich beteiligt, spricht dies prima facie für ein Handeln im eigenen wirtschaftlichen Interesse.
Normenkette
§ 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
Sachverhalt
Der Kläger erwarb im März 1999 zwei Eigentumswohnungen. Im August 2000 wurde der Kaufvertrag aufgehoben. Unmittelbar anschließend verkaufte die Veräußerin eine der Wohnungen zum gleichen Preis an eine GmbH, an der der Kläger zu 70 % beteiligt war und für die er bei Vertragsabschluss als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer handelte.
Der Kläger begehrte die Aufhebung der Steuerfestsetzung für seinen Erwerb der Wohnungen. Das FA entsprach dem nur hinsichtlich der nicht an die GmbH weiterveräußerten Wohnung.
Entscheidung
Der BFH hielt bezüglich der weiterveräußerten Wohnung die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG lediglich prima facie für ausgeschlossen. Nach seiner Auffassung ergebe sich aus der Art der Beurkundung der beiden Verträge vom August 2000 eine trotz Aufhebung des ursprünglichen Erwerbsgeschäfts fortbestehende Rechtsposition des Klägers hinsichtlich dieser Wohnung.
Ob der Kläger diese Rechtsposition auch im eigenen wirtschaftlichen Interesse verwertet habe, sei jedoch noch zu klären. Zwar spreche die Stellung des Klägers als Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH prima facie für die Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen bei der Weiterveräußerung; dem Kläger sei jedoch Gelegenheit zu geben, den Anscheinsbeweis zu entkräften. Als wirtschaftliches Eigeninteresse komme in Betracht, die Folgen des ungünstigen Erwerbs in die betriebliche Sphäre zu verlagern.
Hinweis
Ein Erwerbsvorgang ist dann i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG "durch Vereinbarung" rückgängig gemacht, wenn die zivilrechtliche Aufhebung des ursprünglichen Rechtsgeschäfts mit einem Verlust der Möglichkeit des Ersterwerbers verbunden ist, über das Grundstück zu verfügen, und wenn stattdessen der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt hat. Ist die Aufhebung des ursprünglichen Erwerbsvorgangs mit der Wiederveräußerung an einen Dritten (Zweiterwerber) verbunden und hat der Ersterwerber bei der Wiederveräußerung mitgewirkt, stellt sich die Frage, ob die Mitwirkung einer Rückgängigmachung entgegensteht. Dies ist nach der (neueren) Rechtsprechung des BFH nur unter drei Voraussetzungen, die alle erfüllt sein müssen, der Fall.
Dem Ersterwerber muss erstens trotz der Aufhebung des ursprünglichen Erwerbsgeschäfts eine Rechtsposition verblieben sein, die es ihm ermöglicht, auf das weitere Schicksal des Grundstücks Einfluss zu nehmen. Seine Mitwirkung an der Wiederveräußerung muss zweitens in Ausübung dieser Rechtsposition erfolgt sein und drittens im eigenen wirtschaftlichen Interesse gelegen haben. Ein bloßes Abstellen auf das eigene wirtschaftliche Interesse unter Übergehen der beiden anderen Voraussetzungen – eine Vorgehensweise, zu der die BFH-Urteile vom 4.12.1985, II R 171/84 (BStBl II 1986, 271) sowie vom 16.9.1987, II R 84/86 (BStBl II 1987, 826) verleiten und die daher häufig anzutreffen ist – wäre somit verfehlt.
Erfolgt die Beurkundung der Aufhebung des ursprünglichen Erwerbsgeschäfts und der Wiederveräußerung in einer Urkunde, ergeben sich eine fortbestehende Rechtsposition des Ersterwerbers und deren Verwertung bei der Wiederveräußerung bereits daraus, dass beide Verträge erst mit den Unterschriften am Ende der Urkunde gemeinsam und zeitgleich wirksam werden. Erfolgt die Beurkundung beider Verträge nicht in einer Urkunde, sondern in zwei aufeinanderfolgenden Urkunden, wird es mit der Annahme einer fortbestehenden Rechtsposition schwieriger. Letztlich wegen der Nähe beider Sachverhalte und ihrer leichten Austauschbarkeit in der Praxis behandelt der BFH sie jedoch gleich.
Das eigene wirtschaftliche Interesse des Ersterwerbers an der Wiederveräußerung kann in den Fällen, in denen eine Kapital- oder Personengesellschaft Zweiterwerber ist, auch aus der Stellung des Ersterwerbers als deren Gesellschafter zu folgern sein. Mit Urteil vom 21.2.2006, II R 60/04 (BFH/NV 2006, 1700) hat der BFH das eigene wirtschaftliche Interesse auch bei einem Sachverhalt bejaht, bei dem Ersterwerber eine GmbH, bestehend aus den Gesellschaftern A und B, und Zweiterwerber eine GbR, bestehend aus den Gesellschaftern A und C, war. A hatte die GmbH bei Abschluss des Aufhebungsvertrags als Geschäftsführer vertreten. Der Veräußerer war sowohl beim Aufhebungsvertrag als auch bei der Wiederveräußerung vollmachtlos vertreten. Er genehmigte spät...