Leitsatz
Ein wegen eines Zinszuschusses gebildeter passiver Rechnungsabgrenzungsposten ist im Rahmen einer Betriebsaufgabe zu Gunsten des Aufgabegewinns aufzulösen, wenn das dem Zinszuschuss zugrundeliegende Darlehen fortgeführt wird.
Normenkette
§ 4 Abs. 1, § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2, § 14, § 16 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 4 EStG, § 250 Abs. 2 HGB
Sachverhalt
Der Kläger erzielte Einkünfte aus LuF, die er durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG für das Normalwirtschaftsjahr vom 1.7. bis zum 30.6. des Folgejahres (§ 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG) ermittelte. Die Steuerbilanz zum 30.6.2010 wies einen passiven RAP wegen eines Zinszuschusses nach dem Agrarinvestitionsförderungsprogramm für die Errichtung eines Schweinestalls aus. Der Schweinestall wurde im Jahr 2005 errichtet und im Juli 2010 an einen anderen Landwirt verpachtet. Das Darlehen wurde weiterhin bedient. Der Kläger gab den Betrieb zum 31.12.2010 auf. Der passive RAP war in der Steuerbilanz zum 31.12.2010 noch enthalten. Im Rahmen einer Außenprüfung für das Streitjahr löste das FA den passiven RAP erfolgswirksam auf und erhöhte den laufenden land- und forstwirtschaftlichen Gewinn für das Rumpfwirtschaftsjahr 1.7. bis 31.12.2010 entsprechend.
Der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage gab das FG statt. Der streitige passive RAP sei nicht zugunsten des laufenden Gewinns aufzulösen, sondern beim Betriebsaufgabeergebnis zu berücksichtigen (Niedersächsisches FG, Urteil vom 14.6.2016, 13 K 33/15, Haufe-Index 9907370, EFG 2016, 1955).
Entscheidung
Die Revision des FA wies der BFH aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen als unbegründet zurück.
Hinweis
1. Nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hat der Kläger seinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zum 31.12.2010 aufgegeben. Er musste aus diesem Anlass sowohl den Aufgabegewinn (§ 16 Abs. 2 und Abs. 3 EStG) durch eine Aufgabebilanz als auch den laufenden Gewinn für das Rumpfwirtschaftsjahr vom 1.7. bis 31.12.2010 durch eine letzte Schlussbilanz ermitteln (BFH, Urteil vom 5.5.2015, X R 48/13, BFH/NV 2015, 1358, Rz. 35, m.w.N.).
a) Die letzte Schlussbilanz schließt die (laufende) land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit des Klägers ab. Das Betriebsvermögen ist nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 EStG zu ermitteln (§ 16 Abs. 2 Satz 2 EStG) und ergibt im Vergleich mit dem Betriebsvermögen auf den Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, bereinigt um den Wert der Entnahmen und Einlagen, den laufenden Gewinn des Rumpfwirtschaftsjahres.
b) In der Aufgabebilanz werden dagegen etwa veräußerte und in das Privatvermögen überführte Wirtschaftsgüter und die verbliebenen Schulden mit den Werten des § 16 Abs. 3 EStG angesetzt. Aus dem Vergleich des in ihr ausgewiesenen Betriebsvermögens mit dem Betriebsvermögen der letzten Schlussbilanz, vermindert um die Aufgabekosten, ergibt sich der Aufgabegewinn bzw. -verlust (§ 16 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 EStG). Entsteht ein Aufgabegewinn, ist er einkommensteuerrechtlich ggf. um den Freibetrag des § 16 Abs. 4 EStG zu kürzen und im Übrigen in der Regel gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG tarifbegünstigt zu versteuern.
c) Bei der Abgrenzung zwischen laufendem Gewinn und tarifbegünstigtem Aufgabegewinn ist grundsätzlich auf den zeitlichen und wirtschaftlichen bzw. sachlichen Zusammenhang des einzelnen Geschäftsvorfalls mit dem laufenden Geschäftsbetrieb einerseits und der Betriebsaufgabe andererseits abzustellen. Ein zeitlicher Zusammenhang allein genügt nicht.
2. Nach diesen Rechtsgrundsätzen hat das FG den streitigen passiven RAP zu Recht dem Aufgabegewinn und nicht dem laufenden Gewinn zugeordnet.
a) Nach § 250 Abs. 2 HGB sind als RAP auf der Passivseite der Bilanz Einnahmen vor dem Abschlussstichtag auszuweisen, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Zeitpunkt darstellen; dem entspricht wörtlich § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG. Diese Vorschriften sollen gewährleisten, dass ein vom Steuerpflichtigen vorab vereinnahmtes Entgelt entsprechend dem Realisationsprinzip erst dann – durch Auflösung des passiven RAP – erfolgswirksam wird, wenn der Steuerpflichtige seine noch ausstehende Gegenleistung erbracht hat.
b) Da das bezogene Entgelt am jeweiligen Bilanzstichtag nur insoweit abzugrenzen ist, als es Ertrag für eine bestimmte Zeit "nach diesem Zeitpunkt" darstellt, muss jedoch eine Verpflichtung zu einer nach diesem Bilanzstichtag (zumindest zeitanteilig) noch zu erbringenden Gegenleistung bestehen. Im Hinblick auf eine bereits vollzogene Leistung ist eine Rechnungsabgrenzung nicht möglich.
3. Nach diesen Maßstäben war der Kläger verpflichtet, in seiner letzten Schlussbilanz auf den 31.12.2010 noch einen passiven RAP für den ihm gewährten Zinszuschuss zu bilden.
a) Denn das bezuschusste Darlehen bestand am 31.12.2010 noch. Damit war auch weiterhin ein künftiger Zinsaufwand des Klägers gegeben. Der Kläger hatte seine für den Zinszuschuss geschuldete Gegenleistung, hier den mit dem geförderten Darlehen einhergehenden Kapita...