Leitsatz
Veräußert der Organträger seine Beteiligung an der Organgesellschaft, ist ein bei ihm vorhandener besonderer passiver Ausgleichsposten erfolgsneutral aufzulösen (entgegen Abschn. 59 Abs. 5 KStR 1995, R 63 Abs. 3 KStR 2004).
Normenkette
§ 14 KStG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Holding GmbH, hielt u.a. sämtliche Anteile an der S-GmbH. Diese war wiederum zu 65 % an der ST-GmbH & Co. KG als Kommanditistin beteiligt. Die S besaß außer der Kommanditbeteiligung und Gesellschaftsanteilen an der Komplementär-GmbH der ST keine weiteren Vermögensgegenstände. Am 30.6.1997 brachte die Klägerin ihre Anteile an der S zum Verkehrswert in die T-GmbH (T) ein, deren Anteile sie im Streitjahr 1997 am 17. März erworben hatte. Diese Anteile veräußerte sie im Juli 1997 an verschiedene Mitglieder der Familie X.
Wegen der zwischen der Klägerin und der S bestehenden körperschaftsteuerlichen Organschaft wurden ihr von 1990 bis 1996 (handelsrechtliche) Verluste der S i.H.v. insgesamt 68.621.584 DM zugerechnet. Diese rührten aus der Kommanditbeteiligung an der ST her. Nach einem Ausgleich der handelsrechtlichen Verluste der ST durch Forderungsverzichte der S beliefen sich die nicht ausgeglichenen Verluste auf 24.903.620 DM. Infolgedessen war das Kapitalkonto der S bei der ST zum 31.12.1996 von 42.770.000 DM auf 17.866.380 DM gesunken. Eine Teilwertabschreibung ihrer Beteiligung an der ST nahm die S in ihrer Handelsbilanz nicht vor. Zusammen mit nachträglichen Anschaffungskosten stand die Beteiligung bei der S zum 31.12.1996 vielmehr mit 42.770.000 DM zu Buche. Steuerlich wurden der S für 1990 bis 1996 Verlustanteile i.H.v. insgesamt 67.593.695 DM zugerechnet. Das steuerliche Kapitalkonto der S bei der ST reduzierte sich daher zum 31.12.1996 auf 16.238.395 DM. Mit diesem Wert wurde die Kommanditbeteiligung der S an der ST in der Steuerbilanz der S angesetzt.
Nachdem die S in ihrer Handelsbilanz keine Abwertung ihrer Kommanditbeteiligung vorgenommen hatte, stand in den Verlustjahren dem negativen steuerlichen Einkommen der S keine entsprechende handelsrechtliche Verlustübernahme gegenüber. Für diese handelsrechtlichen Mehrabführungen bildete die Klägerin in ihrer Steuerbilanz einkommensneutral passive Ausgleichsposten.
Das FA löste entsprechend Abschn. 59 Abs. 5 Satz 2 KStR 1995 den passiven Ausgleichsposten, soweit er die S betraf, Gewinn erhöhend auf. Der dagegen gerichteten Klage gab das FG statt, weil es an der notwenigen Regelungsgrundlage fehle (EFG 2005, 628).
Entscheidung
Der BFH schloss sich dem im Ergebnis mit gleicher Begründung an. Er verwarf deswegen die jahrzehntealte Verwaltungspraxis und mahnte eine gesetzliche Regelung an.
Hinweis
1. In R 63 KStR 2004 (und zuvor in Abschn. 59 KStR 1995) findet sich etwas, von dem im KStG selbst keine Rede ist – auf diesen nachhaltigen Umstand wird noch einzugehen sein, er ist streitentscheidend: Es ist die Rede von den sog. besonderen Ausgleichsposten bei der körperschaftsteuerlichen Organschaft.
2. Deren Sinn und Zweck ist darin begründet, Einmalbesteuerungen sicherzustellen – und zugleich Doppel- und auch Keinmalbesteuerungen zu vermeiden –, welche sich daraus ergeben können, dass die Organgesellschaft gesellschaftsvertraglich gehalten ist, ihr gesamtes handelsbilanzielles Ergebnis an den Organträger abzuführen, dass die Steuerbilanz aber von der Handelsbilanz nach oben oder nach unten abweichen kann. Dieses "Prinzip der Einmalbesteuerung im Organkreis" ist allgemein (und auch vom BFH, nämlich im Urteil vom 24.7.1996, I R 41/93, BStBl II 1996, 614) anerkannt.
Beispiel für eine Minderabführung: In 01 bildet die Organgesellschaft eine zulässige Rücklage aus dem zu versteuernden Einkommen. Das Organeinkommen ist dem Organträger aber unabhängig von der tatsächlichen Abführung voll zuzurechnen. Veräußert der Organträger seine Organbeteiligung im Jahr 03 und ist die Rücklage noch nicht aufgelöst und abgeführt, schlägt sich die Rücklage im Veräußerungserlös nieder und führt zu einem höheren Veräußerungsgewinn.
Um hier eine doppelte Erfassung desselben Einkommens zu verhindern, bestimmt R 63 Abs. 1 KstR in gewisser innerer "Sinnhaftigkeit" die Bildung eines entsprechenden aktiven Ausgleichspostens.
Beispiel für die Mehrabführung: Dreht man das Beispiel um und wird handelsrechtlich mehr abgeführt als steuerlich ausgewiesen wird, dann ist nach § 63 Abs. 2 KStG ein passiver Ausgleichsposten zu bilden. Das soll verhindern, dass eine Besteuerung gänzlich unterbleibt. Um den letzteren, den passiven Ausgleichsposten, ging es im Urteilsfall: Die Organgesellschaft war Kommanditistin einer KG und hatte die Verluste der KG übernommen. Die Verlustanteile wurden der S zugerechnet. In der Handelsbilanz war jedoch auf eine Wertabstockung verzichtet worden, sodass der (klagende) Organträgerin ein "Mehr" zugerechnet wurde. Zum Ausgleich wurde besagter Passivposten gebildet.
3. Der aktive wie der passive Posten wirkt zunächst als rein steuerlich wirkender Posten erfolgsneutral. Wird die Organbeteiligung aber veräu...