Leitsatz
1. Leistet ein als Betreiber einer sonstigen betreuten Wohnform nach § 34 SGB VIII anerkannter Trägerverein einer Pflegeperson Zahlungen für die Erziehung und Unterbringung eines fremden Kinds, so scheidet die Annahme eines Pflegekindschaftsverhältnisses aus, weil das Kind zu Erwerbszwecken in den Haushalt der Pflegeperson aufgenommen worden ist (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG).
2. Die sozialrechtliche Einordnung als sonstige betreute Wohnform hat steuerrechtliche Tatbestandswirkung. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Unterbringung des Kinds sozialrechtlich als Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII hätte behandelt werden müssen.
Normenkette
§ 32 Abs. 1 Nr. 2, § 63 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 33, § 34 SGB VIII
Sachverhalt
Der Kläger und seine Ehefrau nahmen im Juli 2002 ein achtjähriges Mädchen in ihren Haushalt auf. Seit Oktober 2005 war die Ehefrau des Klägers für einen e.V. tätig. Nach dem zwischen ihnen abgeschlossenen "Erziehungsstellenvertrag nach § 34 SGB VIII" erhielt sie monatlich als Beitrag zur Erziehung 1 200 EUR, für Sachkosten 700 EUR, zur Altersversorgung 125 EUR, für Kfz-Vollkaskoversicherung 40 EUR und für eine Haushaltskraft 125 EUR, d.h. insgesamt 2 190 EUR.
Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung ab Oktober 2005 auf.
Das FG (FG Düsseldorf, Urteil vom 19.10.2006, 14 K 4922/05 Kg, Haufe-Index 1748393, EFG 2007, 368) gab der Klage statt. Das Kind sei nicht zu Erwerbszwecken in den Haushalt aufgenommen worden, weil die Höhe des dafür gezahlten Entgelts nicht marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten entspreche. Nach Abzug der Sachkosten verbleibe ein Tagessatz von nur ca. 44 EUR, der Marktpreis für eine vollzeitige Tagesbetreuung beliefe sich dagegen auf mindestens 100 EUR je Tag.
Entscheidung
Der BFH hat die sozialrechtliche Einordnung für maßgeblich gehalten und die Klage daher abgewiesen.
Hinweis
1. Kindergeld wird nur für Pflegekinder gewährt, die nicht zu Erwerbszwecken aufgenommen wurden. Dabei sind Pflegegelder für die Aufnahme eines Kinds in eine Familie zur Vollzeitpflege unschädlich: Sie richten sich nach den tatsächlichen angemessenen Unterhaltskosten einschließlich der Kosten für die Erziehung (§ 33, § 39 SGB VIII), Personal- und Sachkosten werden mit dem Pflegesatz nicht vergütet. Es handelt sich daher um Kostenersatz und nicht um ein Entgelt für Unterbringung und Betreuung.
2. Betreiber eines Heims oder einer sonstigen betreuten Wohnform (§ 34 SGB VIII) haben dagegen keinen Anspruch auf Kindergeld. Ihre Vergütungen erstatten auch Personal- und Sachkosten, sie verfolgen Erwerbszwecke.
3. Im Streitfall hatten zahlreiche Pflegefamilien einen Trägerverein initiiert, der zwischen die Behörden und die Familien geschaltet war. Von diesem Verein bezog die Ehefrau des Klägers als "sozialpädagogische Fachfamilie" nicht die bei Unterbringung eines Kinds in einer Pflegefamilie nach § 33 S. 1 SGB VIII vorgesehenen pauschalen Pflegebeträge, sondern ein Entgelt für die Unterbringung in einer sonstigen betreuten Wohnform nach § 34 SGB VIII. Dieses enthielt auch Personal- und Sachkosten und lag mit insgesamt 2 190 EUR zwar deutlich unter den Kosten einer Heimunterbringung, aber über den regelmäßigen Pflegesätzen.
4. Das FG hat Erwerbszwecke verneint, weil das Entgelt nicht nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten vereinbart worden sei. Die marktwirtschaftliche Angemessenheit ist freilich nur schwer zu bestimmen, und gerade im Kindergeldrecht besteht ein praktisches Bedürfnis nach klar zu bestimmenden Grenzen. Der BFH hat sich daher für den eher formalen Ansatz entschieden, dass ein Entgelt für die Aufnahme eines Kinds in ein Heim oder eine sonstige betreute Wohnform nach § 34 SGB VIII Erwerbszwecke begründet. Die sozialrechtliche Behandlung hat somit eine steuerrechtliche Tatbestandswirkung. Die Einwände des Klägers, tatsächlich habe die Vollzeitpflege eines entwicklungsbeeinträchtigten Kinds nach § 33 S. 2 SGB VIII stattgefunden und der Trägerverein habe zu Unrecht die Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIIIfür eine sonstige betreute Wohnform erhalten, waren danach unbeachtlich.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 02.04.2009 – III R 92/06