OFD Hannover, Verfügung v. 13.3.2008, S 0456 - 66 - StO 144
§ 387 BGB bestimmt die Voraussetzungen für die Aufrechnung.
Danach müssen
- die Gleichartigkeit der einander gegenüberstehenden Forderungen,
- die Gegenseitigkeit dieser Forderungen (Gläubiger-Schuldner-Identität),
- die Fälligkeit der Forderung, mit der aufgerechnet werden soll (Gegenforderung – Forderung des Aufrechnenden),
- die Erfüllbarkeit der Forderung, gegen die aufgerechnet werden soll (Hauptforderung – Schuld des Aufrechnenden), gegeben sein.
1. Gleichartigkeit
Weil Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) stets auf Geld gerichtet sind, kann nur gegen Geldforderungen aufgerechnet werden (vgl. BFH-Urteil vom 24.1.1962, VII 186/58 U, BStBl 1962 III S. 144). Die Rechtsgrundlagen der Forderungen sind ohne Bedeutung.
Gegenüber dem Anspruch auf Befreiung von einer Verbindlichkeit kann daher der Schuldner nicht mit einem Zahlungsanspruch aufrechnen, der ihm gegen den Gläubiger zusteht (BGH-Urteil vom 28.6.1983, VI ZR 285/81, NJW 1983 S. 2438). Auch Geldforderungen in verschiedenen Währungen sind ungleichartig und daher nicht aufrechenbar (KG Berlin, Urteil vom 29.6.1988, 24 U 6446/87, NJW 1988 S. 2181).
2. Gegenseitigkeit
Gegenseitigkeit der Forderungen liegt vor, wenn der Schuldner der einen Forderung der Gläubiger der anderen Forderung ist und umgekehrt.
2.1 Rechtslage beim Steuerpflichtigen
2.1.1 Erfordernis der Personengleichheit
Auf Seiten des Steuerpflichtigen ist die Gegenseitigkeit danach zu beurteilen, ob Gläubiger und Schuldner dasselbe Steuersubjekt sind.
An der Gegenseitigkeit fehlt es daher, wenn z.B. der Schuldner der einen Forderung eine Personengesellschaft, Gläubiger der anderen Forderung dagegen ein Gesellschafter ist oder umgekehrt (vgl. BFH-Urteil vom 11.8.1954, II 102/54 U, BStBl 1954 III S. 291). Das Gleiche gilt bei organschaftsähnlich verbundenen Personengesellschaften (vgl. BFH-Urteil vom 30.10.1984, VII R 70/81, BStBl 1985 II S. 114).
Mit Ansprüchen des Finanzamtes gegen Gesamtschuldner im Sinne von § 44 AO kann demgegenüber gegen Ansprüche eines Gesamtschuldners aufgerechnet werden, weil Gesamtschuldner nebeneinander dieselbe Leistung schulden. Dies gilt auch für das Verhältnis zwischen Steuerschuldner und Haftenden, wenn die Haftungsschuld geltend gemacht und fällig ist.
Beispiel:
Eine OHG schuldet dem FA 5000 EUR Umsatzsteuer.
Dem Gesellschafter A steht gegen dieses FA ein Einkommensteuer-Erstattungsanspruch von 10.000 EUR zu. Gegenseitigkeit ist somit nicht gegeben.
Wird wegen des bezeichneten USt-Rückstandes dem Gesellschafter A ein Haftungsbescheid erteilt, kann das FA nach Ergehen des Haftungsbescheids (§ 191 AO) und Fälligkeit der Haftungsschuld (§§ 219, 220 AO) mit dem Umsatzsteuer-Haftungsanspruch gegen den ESt-Erstattungsanspruch aufrechnen.
Wer Gläubiger eines steuerlichen Erstattungsanspruchs ist, ergibt sich aus § 37 Abs. 2 AO. Schwierig ist die Feststellung des Erstattungsberechtigten bei Gesamtschuldnern nach § 44 AO. Erstattungsberechtigt ist nur derjenige, für dessen Rechnung die Schuld beglichen worden ist. Das ist im Allgemeinen der zahlende Gesamtschuldner. Dies gilt auch im Verhältnis Steuer- und Haftungsschuldner. Haben Dritte für Rechnung des Steuerschuldners die Steuer entrichtet und sind sie gleichzeitig Haftende, ist die Zahlung nur für Rechnung des Steuerschuldners geleistet, z.B. Arbeitgeber bei der Lohnsteuer – §§ 41a, 42d EStG; der Schuldner der Kapitalerträge bei der Kapitalertragsteuer – § 44 EStG; usw. Haben mehrere Gesamtschuldner Teilbeträge gezahlt, ist davon auszugehen, dass jeder für seine eigene Rechnung gezahlt hat. Werden alle Teilbeträge erstattet, ist jeder Gesamtschuldner in Höhe seiner Zahlung erstattungsberechtigt. Bei einer teilweisen Erstattung der Zahlungen bestimmt sich die Erstattungsberechtigung des einzelnen Gesamtschuldners nach dem Verhältnis seiner Teilzahlung zu den Zahlungen der anderen Gesamtschuldner; ob und in welchem Umfang die Gesamtschuldner einander nach § 426 BGB zum Ausgleich verpflichtet sind, ist ohne Bedeutung (vgl. BFH-Urteil vom 3.6.1976, III R 40/75, BStBl 1976 II S. 605).
Beispiel:
Für die Umsatzsteuer einer OHG von 5.000 EUR sind die Gesellschafter A und B als Haftungsschuldner in Anspruch genommen worden. A zahlte 3.000 EUR, B 2.000 EUR. Aufgrund einer Betriebsprüfung wird der Umsatzsteuer-Bescheid berichtigt und die Umsatzsteuer-Schuld auf 3.000 EUR ermäßigt. Der Erstattungsanspruch steht A zu 3/5 = 1.200 EUR und B zu 2/5 = 800 EUR zu.
Der Erstattungsanspruch steht den Gesamtschuldnern als Gesamtgläubiger gemeinsam zu, wenn für ihre gemeinsame Rechnung gezahlt worden ist. Das FA kann in diesem Falle mit befreiender Wirkung an jeden Gesamtschuldner erstatten und daher mit Steuern eines jeden Gesamtschuldners aufrechnen.
2.1.2 Besonderheiten bei Ehegatten
Ehegatten sind bei der Zusammenveranlagung, §§ 26, 26b EStG, Gesamtschuldner. Bei einer Einkommensteuererstattung sind sie grundsätzlich nicht Gesamt-, sondern Teilgläubiger (BFH-Urteil vom 21.3.1978, VIII ...