Leitsatz
Das Finanzamt darf einen Erstattungsanspruch aus einer Einkommensteuerveranlagung für ein nach dem Eröffnungszeitpunkt des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerpflichtigen liegendes Steuerjahr (Masseforderung) nicht mit noch offenen, vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Steuerforderungen gegen den Gemeinschuldner aufrechnen.
Sachverhalt
Gegen den Steuerpflichtigen war Mitte Oktober 2004 das Insolvenzverfahren über dessen Vermögen eröffnet worden. Aus dem dem Insolvenzverwalter (Kläger) des Schuldners zugestellten Einkommensteuerbescheid für 2005 ergibt sich ein Steuererstattungsanspruch des Schuldners von 1.038,98 EUR. Statt diesen Anspruch zur Insolvenzmasse auszuzahlen rechnete das Finanzamt ihn mit der zur Tabelle angemeldeten rückständigen Einkommensteuer für 1999 aus dem Bescheid vom 20.4.2004 auf. Im Abrechnungsbescheid v. 30.8.2007 gemäß § 218 Abs. 2 AO teilte das Finanzamt mit, dass das Konto durch Verrechnung ausgeglichen sei. Mit der Klage machte der Verwalter geltend, dass die Aufrechnung zu Unrecht erfolgt sei. Darauf, ob die Erstattung auf pfändbarem oder unpfändbarem Einkommen beruhe, komme es nicht an. Der Beklagte wiederum berief sich darauf, dass ein Aufrechnungsverbot nach § 96 Abs. 1 InsO nicht bestehe, da die im insolvenzfreien Vermögen begründeten Erstattungsansprüche nicht den §§ 95 und 96 InsO unterlägen.
Entscheidung
Das FG sieht die Klage als zulässig und begründet an. Soweit das Finanzamt im Abrechnungsbescheid feststellt, dass der Steuererstattungsanspruch 2005 durch Aufrechnung erloschen ist, ist dieser rechtswidrig. Entscheidend für die Frage, ob ein Steueranspruch der Insolvenzmasse zugehörig ist oder ob die Gläubigerforderung eine Insolvenzforderung ist, ist allein, ob in nach den insolvenzrechtlichen Grundsätzen zu diesem Zeitpunkt der Rechtsgrund für den Anspruch bereits gelegt war . Der Erstattungsanspruch, der erst nach der Verfahrenseröffnung begründet wurde, ist eine Masseforderung und gehört somit zur Insolvenzmasse. Ein Aufrechnungsrecht nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO steht dem Finanzamt deshalb nicht zu. Das Insolvenzverfahren erfasst das gesamte zur Zeit dessen Eröffnung dem Schuldner gehörende Vermögen und das er während des Verfahrens erlangt. Das Verwaltungsrecht des Schuldners über sein Vermögen geht auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO).
Hinweis
Das Sächsische FG hat die bisherige Rechtsprechung auf diesem Gebiet erneut bestätigt und daher die Revision nicht zugelassen. Ein Antrag auf Anhebung der Pfändungsfreigrenze nach § 850 f. Abs. 1 b ZPO, der im Insolvenzverfahren nach § 36 Abs. 1 S. 2 InsO zugunsten des Schuldners zu beachten wäre, würde, da Steuererstattungen nicht zum Arbeitseinkommen gehören, allerdings hier ins Leere laufen.
Link zur Entscheidung
Sächsisches FG, Urteil vom 08.12.2009, 1 K 604/08