Leitsatz
Aufstockungsbeträge zum Transferkurzarbeitergeld, die auf der Grundlage eines Transfer-Arbeitsverhältnisses und mit Rücksicht auf dieses von der Transfergesellschaft geleistet werden, sind regelmäßig keine Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG, sondern laufender Arbeitslohn i.S. des § 19 EStG.
Normenkette
§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 EStG, § 111 SGB III
Sachverhalt
Der Kläger wechselte nach betriebsbedingter Kündigung (wegen Werksschließung) in ein Transferarbeitsverhältnis. Er erhielt Transferkurzarbeitergeld und Aufstockungszahlungen der Transfergesellschaft. Dafür beantragte er die Steuerermäßigung gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 EStG. Das FA lehnte dies ab. Die Klage vor dem FG hatte Erfolg (FG Münster, Urteil vom 15.11.2017, 7 K 2635/16 E, Haufe-Index 11395017, EFG 2018, 120).
Entscheidung
Auf die Revision des FA hat der BFH das Urteil des FG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Aufstockungszahlungen seien Erfüllungsleistungen im Rahmen des Transferarbeitsverhältnisses und unmittelbar nur durch dieses veranlasst.
Hinweis
Das Besprechungsurteil fügt der Dogmatik zum Entschädigungsbegriff nichts Neues hinzu: Erfüllungsleistungen sind keine Entschädigung für entgangene Einnahmen. Auch wenn dieser altbekannte Satz in den Entscheidungsgründen nicht einmal erwähnt wird, stützt sich das Besprechungsurteil zentral auf diese Aussage.
Inhaltlich geht es um die Frage, ob die streitigen Aufstockungszahlungen zum Transferkurzarbeitergeld Entgelt für Arbeit (Erfüllung) oder Teil der Entlassungsentschädigung sind.
1. Der BFH geht vom Begriff der Entschädigung aus. Eine Entschädigung i.S.v. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG muss danach unmittelbar durch den Verlust steuerbarer Einnahmen bedingt und dazu bestimmt sein, den Verlust auszugleichen.
a) Diese Voraussetzung (Unmittelbarkeit) entstammt der Rspr. zu § 3 Nr. 9a.F. EStG (insbesondere BFH, Urteil vom 20.7.2010, IX R 23/09, BFH/NV 2010, 2176, BFH/PR 2010, 465, BStBl II 2011, 218). Sie ist, obwohl sie sich stark auf den Wortlaut des § 3 Nr. 9a.F. EStG stützte, auf § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG übertragbar.
b) Im Streitfall fehlte dem BFH der unmittelbare Zusammenhang. Die Aufstockungszahlungen der Transfergesellschaft seien allenfalls mittelbar durch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses, unmittelbar jedoch nur durch den Abschluss des Transferarbeitsverhältnisses bedingt. Sie sollen – so der BFH – auch nicht den Schaden aus dem Wegfall des Arbeitsplatzes, sondern die Leistungen im Rahmen des Transferarbeitsverhältnisses entlohnen.
2. Für nicht durchgreifend erachtet der BFH dabei, dass der Kläger der Transfergesellschaft keine Dienste schuldete und gegen sie auch keinen Anspruch auf Beschäftigung hatte, die Transfergesellschaft Teil des Sozialplans ist, der insgesamt die Folgen der betriebsbedingten Kündigungen abmildern soll, die Transfergesellschaft vom ehemaligen Arbeitgeber finanziert und für ihre Dienstleistung bezahlt wird und die Übernahme in die Transfergesellschaft davon abhängt, dass der Arbeitnehmer einer Auflösungsvereinbarung zustimmt, sodass dem Arbeitgeber ein Streit über die betriebsbedingte Kündigung erspart bleibt.
Bei einer überwiegend wirtschaftlichen Betrachtung – wie sie das FG angestellt hatte – hätte man durchaus auch zum gegenteiligen Ergebnis gelangen können. Warum sich der BFH ausgerechnet zum Nachteil des Steuerpflichtigen für eine eher formale Betrachtung entschieden hat, bleibt im Urteil offen.
3. Das Transferkurzarbeitergeld wird nach § 3 Nr. 2 Buchst. a EStG ("Kurzarbeitergeld") steuerfrei ausgezahlt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 12.3.2019 – IX R 44/17