Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
1. Nimmt der Steuerpflichtige Darlehen zur Finanzierung je unterschiedlicher Grundstücksteile auf, die eigenständige Wirtschaftsgüter bilden, scheitert der Zuordnungszusammenhang zu einzelnen Grundstücksteilen aber, weil die Valuten sämtlicher Darlehen auf ein Girokonto fließen, von dem dann der Steuerpflichtige den gesamten Kaufpreis an den Verkäufer überweist, so sind die entstandenen Schuldzinsen grundsätzlich nach dem Verhältnis der Wohn-/Nutzflächen aufzuteilen.
2. Dies gilt nicht, wenn die Parteien des Kaufvertrags den Kaufpreis in anderer Weise auf die erworbenen Wirtschaftsgüter aufgeteilt haben und dieser Maßstab – weil weder zum Schein getroffen noch missbräuchlich – auch steuerrechtlich bindet. In diesem Fall ist der Kaufpreis nach dem Verhältnis des auf den vermieteten Grundstücksteil entfallenden Kaufpreises zum Gesamtkaufpreis aufzuteilen und die entstandenen Schuldzinsen in Höhe des hiernach auf den vermieteten Grundstücksteil entfallenden Anteils abzuziehen.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG, § 41 Abs. 2, § 42 AO
Sachverhalt
Die Eheleute A und B erwarben von der Mutter der B ein Mehrfamilienhaus, das in sechs Eigentumswohnungen aufgeteilt werden sollte. Zwei Wohnungen, die weit mehr als die Hälfte der gesamten Wohnfläche umfassen, sind selbst genutzt. Von dem gesamten Kaufpreis (455 000 EUR) entfiel nach dem Kaufvertrag auf die selbst genutzten Wohnungen insgesamt nur 150 000 EUR. Die für die anderen Wohnungen angesetzten Kaufpreise (insgesamt 305 000 EUR) entsprachen den Verkehrswerten dieser Wohnungen.
Die Eheleute finanzierten die Anschaffung des Hauses in vollem Umfang fremd und schlossen für die selbst genutzten wie auch für die vermieteten Wohnungen jeweils gesonderte Darlehensverträge ab. Allerdings flossen alle Valuten auf ein Girokonto, von dem der Kaufpreis insgesamt an die Mutter überwiesen wurde.
Das FA teilte die aus den Darlehen von 305 000 EUR herrührenden Zinsen nach Wohnflächen auf. Das FG Münster (Urteil vom 29.04.2008, 8 K 3028/05 E, Haufe-Index 2018592, EFG 2008, 1784) bezog auch das 150 000-EUR-Darlehen in die Aufteilung ein, teilte aber auch nach Wohn- und Nutzflächen auf.
Entscheidung
Dem folgte der BFH nicht. Denn hier hatten die Vertragsparteien ja die Anschaffungskosten bereits im Kaufvertrag nach anderen Maßstäben aufgeteilt. Und dieser Aufteilung ist zu folgen, denn dagegen bestanden hier schon deshalb keine steuerrechtlich bedeutsamen Bedenken, weil die auf die vermieteten Wohnungen entfallenen Anschaffungskosten den Verkehrswerten entsprachen. Deshalb teilte der BFH die Schuldzinsen nach dem Verhältnis des auf den vermieteten Grundstücksanteil entfallenden Kaufpreises zum Gesamtkaufpreis – also zu 305/455 – auf und hat innerhalb der Revision der Klage zu einem weiteren Teil stattgegeben.
Hinweis
1. Der Schuldzinsenabzug bei gemischt genutzten Gebäuden ist ein immer wiederkehrendes Thema, mit dem sich der BFH befassen muss. Die Fragen, die sich dabei stellen: In welcher Weise kann der Steuerpflichtige gestalten und was sind die Grenzen dieser Gestaltung?
2. Dient ein Gebäude nicht nur dem Erzielen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, sondern auch der nicht steuerbaren Selbstnutzung, und werden die Darlehensmittel lediglich teilweise zur Einkünfteerzielung verwandt, so sind natürlich auch die Darlehenszinsen nur anteilig als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 EStG abziehbar.
3. Der Steuerpflichtige kann allerdings ein Darlehen mit steuerrechtlicher Wirkung gezielt einem bestimmten, der Einkünfteerzielung dienenden Gebäudeteil zuordnen. Will er so vorgehen und die Zinsen aus diesem Darlehen in vollem Umfang abziehen, muss er dem jeweils vermieteten Gebäudeteil die darauf entfallenden Anschaffungskosten gesondert zuordnen und die so zugeordneten Anschaffungskosten mit Geldbeträgen aus dem dafür aufgenommenen Darlehen gesondert bezahlen.
4. Wird das Darlehen dann aber einem Konto gutgeschrieben, das auch Finanzierungsmittel für den selbst genutzten Teil umfasst und überweist der Steuerpflichtige den gesamten Kaufpreis von einem Girokonto an den Verkäufer des erworbenen Gebäudes, so fehlt es an der erforderlichen Zahlung entsprechend der Darlehenszuordnung. Darlehenszinsen sind dann nur anteilig als Werbungskosten abziehbar. Aber nach welchem Maßstab müssen sie aufgeteilt werden?
5. Scheitert die der Zuordnung entsprechende Zahlung, so ist daraus nicht der Schluss zu ziehen, die Schuldzinsen seien nach der Wohnfläche aufzuteilen. Vielmehr ist eine von den Vertragsparteien vorgenommene Aufteilung des Kaufpreises auf einzelne Wirtschaftsgüter (hier des vermieteten und des selbst genutzten Grundstücksteils) grundsätzlich der Besteuerung zugrunde zu legen. Dies gilt auch in Fällen der gemischten Schenkung. Vereinbarungen der Vertragsparteien über Einzelpreise für Einzelwirtschaftsgüter binden, solange keine Anhaltspunkte dafür bestehen, der Kaufpreis sei nur zum Schein getroffen worden oder die Voraussetzungen eines Gestaltungsm...