Kommentar
Bei dem – mit der Rechtssache C-308/96 verbundenen -Verfahren ging es um zwei grundsätzliche Fragen der Auslegung von Artikel 26 der 6. EG-Richtlinie , der Margenregelung für Reiseleistungen. In der Sache C-308/96 ging es um die Bedeutung der Begriffe des Reisebüros (Reiseveranstalter) im Sinne der Richtlinienvorschrift. Die zweite Frage, in der Sache C-94/97 aufgeworfen, war der Maßstab zur Aufteilung des Entgelts bei sogenannten gemischten Reiseleistungen.
Im Streitfall ging es um den Betrieb eines Hotels, dessen Betreiber die Gäste aufgrund eines Vertrages mit einer Busvermietungsgesellschaft von ihren Heimatorten zum Hotel und zurück beförderte und außerdem während des Aufenthalts der Gäste je eine Besichtigungstour durchführte. Die Hotelkunden zahlten für die Busfahrten und die Unterbringung im Hotel einen Pauschalpreis.
In der Sache C-94/97 fragte das Vorlagegericht, ob das von den Hotelkunden gezahlte Entgelt (Pauschalpreis) nach Maßgabe der Kosten, die auf die zugekauften Leistungen bzw. auf die Eigenleistungen entfallen, für die Ermittlung der Marge der Reiseleistung aufzuteilen wart oder im Prinzip auch eine andere Aufteilung als nach den Kosten zulässig ist. Es ging also um den Maßstab zur Aufteilung des Entgelt bei sogenannten gemischten Reiseleistungen.
Eine gemischte Reiseleistung liegt vor, wenn für die Leistung sowohl Leistungen anderer Unternehmer in Anspruch genommen werden, die den Reisenden unmittelbar zugute kommen (sogenannte Reisevorleistungen), als auch eigene Mittel aufgewendet werden (sogenannte Eigenleistungen). Im Streitfall bestand die Reisevorleistung in der Beförderungsleistung und die Eigenleistung in der Hotelunterbringung und Verpflegung.
Als Vorbedingung dafür, daß überhaupt ein Aufteilungsmaßstab gefunden werden muß, hat der EuGH bestätigt, daß die Margenbesteuerung nur anwendbar ist, soweit Reisevorleistungen in Anspruch genommen werden. Umgekehrt bedeutet dies, für andere Reiseleistungen gelten die allgemeinen Regelungen. In diesem Zusammenhang verweist der EuGH auf den besonderen Charakter des Artikels 26, der als Ausnahmeregelung eng auszulegen ist.
Der EuGH hält es für zulässig, das Entgelt in einen der Margenregelung unterliegenden Teil und einen der allgemeinen Regelung unterliegenden Teil nach dem Marktwert der Eigenleistungen bzw. der Vorleistungen aufzuteilen und nicht zwingend nach dem Anteil der tatsächlichen Kosten, die für die Eigenleistungen bzw. Vorleistungen entstanden sind. Der Gerichtshof geht davon aus, Artikel 26 der 6. EG-Richtlinie habe den Fall gemischter Reiseleistungen überhaupt nicht im Auge gehabt und könne daher auch nicht die Kriterien für die Aufteilung des Entgelts festlegen. Dies ist angesichts dessen, daß Reiseveranstalter in jedem Fall auch Gemeinkosten haben und somit der Fall einer reinen -nur der Margenregelung unterliegenden – Reiseleistung in der Praxis wohl nicht vorkommt, einigermaßen überraschend.
Zum zweiten geht der EuGH davon aus, daß im Streitfall die verschiedenen Aufteilungsmaßstäbe, gleich ob nach tatsächlichen Kosten oder nach Marktwerten, alle zum gleichen Steuerbetrag geführt hätten. Unter dieser Voraussetzung könne von dem Unternehmer ein Aufteilungsmaßstab nach tatsächlichen Kosten nicht verlangt werden. Der Kläger hatte im Streitfall aber gerade ein Interesse, eine Aufteilung seines Pauschalpreises nach Marktwerten vornehmen zu dürfen. Denn er erreichte mit dieser Aufteilungsmethode einen höheren, im Vereinigten Königreich dem Nullsatz unterliegenden Anteil für seine Beförderungsleistung
Der EuGH hält eine Entgeltaufteilung auf Basis der tatsächlichen Kosten für die Eingangsleistungen nicht für zwingend, sondern läßt auch eine Verhältnisrechnung nach den Marktwerten der Komponenten Eigen- und Reisevorleistungen zu, wenn dies möglich ist. Der Leitsatz der Entscheidung schließt eine Verhältnisrechnung auf Basis tatsächlicher Kosten aber nicht aus. Der EuGH scheint sich unschlüssig darüber zu sein, um welche Größe es sich bei einem Marktwert handelt. Es könnte sich um den Wert der Leistung handeln, die der Unternehmer statt der Eigenleistung von einem anderen Unternehmer einkaufen würde. Dies wäre ein Einkaufspreis. Es könnte sich aber auch um den Wert handeln, den der Unternehmer für die Eigenleistung einem Individualreisenden in Rechnung stellen würde. Dies wäre ein Verkaufspreis, der vom Unternehmer regelmäßig höher angesetzt würde als der Einkaufspreis.
Bereits diese unterschiedlichen Begriffsansätze zeigen, der Aufteilungsmaßstab nach einem Marktwert ist nicht eindeutig festzulegen.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 02.06.2005, C-378/02EuGH, Urteil v. 22.10.1998, C-94/97