OFD Karlsruhe, Verfuegung v. 02.04.2024, St14 - S 2337 - 1/4-St 14A
1 Einkunftsart
Bei den ehrenamtlich Mitwirkenden bei politischen Wahlen ist zu unterscheiden zwischen Personen, die Mitglieder der Wahlorgane (Beisitzer oder Mitglied von Wahlausschuss und Wahlvorstand) sind und solchen, die nur Hilfskräfte darstellen und im Allgemeinen als sog. Wahlhelfer bezeichnet werden.
1.1 Mitglieder der Wahlorgane
Die Wahlorgane, denen nach dem jeweiligen Wahlgesetz und der Wahlordnung die Leitung und Überwachung der Wahlhandlung und die Feststellung des Wahlergebnisses obliegt, haben ihre Aufgaben grundsätzlich nicht gegenüber der Gemeinde, sondern nur gegenüber der Allgemeinheit wahrzunehmen. Sie schulden deshalb ihre Arbeitskraft auch nicht der Gemeinde, wie dies nach § 1 Abs. 2 LStDV für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses zur Gemeinde erforderlich wäre. Die Mitglieder der Wahlorgane sind als selbständig Tätige anzusehen. Deren Entschädigungen sind daher im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung als Einkünfte aus sonstiger selbständiger Tätigkeit zu erfassen (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG). Von den an die ehrenamtlichen Mitglieder oder Beisitzer der Wahlorgane einschließlich deren Stellvertreter und den Schriftführer gezahlten Aufwandsentschädigungen ist deshalb kein Lohnsteuerabzug vorzunehmen.
1.2 Wahlhelfer
Die bei den Wahlen eingesetzten Hilfskräfte (Wahlhelfer) sind nach dem jeweiligen Wahlgesetz oder der Wahlordnung von der Gemeinde für die Durchführung der Wahl zur Verfügung zu stellen. Hat die Gemeinde nicht genug eigene Hilfskräfte, so kann sie nach § 15 Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (GemO) Bürger zur ehrenamtlichen Mitwirkung verpflichten. Das Kommunalwahlgesetz (KomWG) sieht darüber hinaus neben der Bestellung von Hilfspersonen durch den Gemeinderat (§ 15 GemO) auch eine unmittelbare Bestellung von Hilfskräften durch den Bürgermeister der jeweiligen Gemeinde vor (§ 11 Abs. 4, § 12 Abs. 3 und § 14 Abs. 1 KomWG).
Beide Gruppen, sowohl die eigenen Hilfskräfte der Gemeinden als auch die nach § 15 GemO vom Gemeinderat oder nach § 11 Abs. 4, § 12 Abs. 3 und § 14 Abs. 1 KomWG vom Bürgermeister verpflichteten Hilfskräfte üben eine nichtselbständige Tätigkeit aus (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Sie schulden ihre Arbeitskraft in erster Linie der Gemeinde und sind deshalb als Arbeitnehmer der Gemeinde anzusehen. Die Gemeinde ist daher zum Lohnsteuerabzug verpflichtet. Dabei ist innerhalb der Grenzen des § 40a EStG grundsätzlich auch eine Pauschalierung der Lohnsteuer durch die Gemeinden möglich. Soweit es sich bei den Hilfskräften allerdings um Bedienstete der Gemeinde handelt, ist zu beachten, dass deren Tätigkeit als Wahlhelfer im Rahmen des mit der Gemeinde bereits bestehenden Dienstverhältnisses ausgeübt wird. Die Voraussetzungen des § 40a EStG liegen in diesen Fällen regelmäßig nicht vor, denn vom selben Arbeitgeber gezahlter Arbeitslohn kann nicht teilweise nach den Lohnsteuerabzugsmerkmalen und teilweise pauschal versteuert werden (§ 40a Abs. 4 Nr. 2 EStG).
2 Steuerfreie Aufwandsentschädigung
Bezüge, die als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen an öffentliche Dienste leistende Personen gezahlt werden, sind nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG steuerfrei. Bezüglich der Anwendung des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG auf die von den Gemeinden im Zusammenhang mit einer Wahl gezahlten Entschädigungen an die Mitglieder der Wahlorgane und die Wahlhelfer gilt Folgendes:
- Nach R 3.12 Abs. 5 LStR können Pauschalentschädigungen, die Gemeinden oder andere juristische Personen des öffentlichen Rechts für eine gelegentliche ehrenamtliche Tätigkeit zahlen, bis zu 8 Euro täglich ohne nähere Prüfung als steuerfrei anerkannt werden.
- Abweichend hiervon kann auch R 3.12 Abs. 3 Satz 3 LStR angewendet werden (R 3.12 Abs. 5 Satz 3 LStR). Danach kann bei ehrenamtlich tätigen Personen in der Regel ohne weiteren Nachweis ein steuerlich anzuerkennender Aufwand von 250 Euro monatlich angenommen werden. Ist die Aufwandsentschädigung niedriger als 250 Euro monatlich, bleibt nur der tatsächlich geleistete Betrag steuerfrei. Wird die ehrenamtliche Tätigkeit – wie die Mitwirkung bei politischen Wahlen – gelegentlich ausgeübt, ist der steuerfreie Höchstbetrag nicht auf einen weniger als einen Monat dauernden Zeitraum der ehrenamtlichen Tätigkeit umzurechnen (R 3.12 Abs. 3 Satz 7 LStR). Werden für mehrere Wahlen am selben Tag für jede Wahl Entschädigungen gezahlt oder innerhalb eines Monats mehrere Wahlen durchgeführt, sind die Beträge zusammenzurechnen. Monatlich sind höchstens 250 Euro steuerfrei.
Eine steuerfreie Aufwandsentschädigung liegt nicht vor, soweit die Entschädigung für Verdienstausfall, Zeitverlust, zur Abgeltung eines Haftungsrisikos gezahlt wird oder dem Empfänger ein abziehbarer Aufwand nicht oder offenbar nicht in Höhe der gewährten Entschädigung erwächst (R 3.12 Abs. 2 Satz 2 LStR).
Normenkette
EStG § 3 Nr. 12 Satz 2