Leitsatz
Aufwendungen für Fachkongresse können als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit abziehbar sein, wenn ein konkreter Zusammenhang mit der Berufstätigkeit besteht. Dies ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls zu bestimmen.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG
Sachverhalt
Der Kläger, ein Facharzt für Anästhesie, nahm in den Streitjahren 1998 und 1999 vom 31.1. bis 7.2.1998 und vom 30.1. bis 6.2.1999 an einem "Internationalen Symposium für Anästhesie, Notfall-, Schmerz- und Intensivbehandlungsprobleme" in St. Anton (A) und vom 18.9. bis 25.9.1999 an einem "Repetitorium Anästhesilogicum" für Fachärzte in Mayrhofen (M) teil.
Auf den Symposien in A wurden jeweils von Sonntag bis Freitag vormittags (von 9 bis 12 Uhr) und nachmittags (von 14 bis 19 Uhr) verschiedene, nicht in sich zusammenhängende, auf die Fachbereiche Anästhesie, Notfall- und Intensivmedizin sowie Schmerztherapie bezogene Vorträge angeboten. Gegen zusätzliche Gebühren konnten mittags und abends weitere Workshops und Kurse belegt werden. Beim Repetitorium in M wurden täglich von 9 bis 12 Uhr und von 16 bis 19 Uhr jeweils einstündige Fachvorträge gehalten. Überdies bestand täglich von 12 bis 16 Uhr die Möglichkeit, an PC-Lernprogrammen oder an der Vorführung von Fortbildungsvideos teilzunehmen. Der Kläger legte für alle Kongresse z.T. lückenhafte Anwesenheitstestate vor, die teilweise nachträglich erstellt worden waren. Das FA erkannte die geltend gemachten Bildungskosten i.H.v. rd. 2.000 DM bzw. 3.500 DM nicht als Werbungskosten an. Das FG gab der Klage statt.
Entscheidung
Die Revision des FA hatte keinen Erfolg. Die Vorentscheidung sei revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das FG sei aufgrund einer umfassenden Tatsachenwürdigung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Teilnahme des Klägers an den Kongressen nahezu ausschließlich beruflich veranlasst gewesen sei. Das FG habe dabei den Anlass der Reisen, die Programme und die tatsächliche Durchführung gebührend berücksichtigt. Trotz lückenhafter Anwesenheitstestate sei das FG aufgrund weiterer Umstände zu der Überzeugung gelangt, dass die Teilnahme des Klägers an den Veranstaltungen feststehe. Diese Würdigung sei revisionsrechtlich nicht bedenklich.
Hinweis
1. Wie in zahlreichen Fällen zuvor legte der BFH auch hier zunächst die Grundsätze dar, nach denen Bildungskosten (einschließlich Reise- und Aufenthaltskosten bei auswärtigen Veranstaltungen) zu Erwerbsaufwendungen führen können. Die berufliche Veranlassung von Bildungsaufwendungen setzt voraus, dass ein hinreichend konkreter Zusammenhang mit der Berufstätigkeit besteht. Mittlerweile nichts Neues enthält das Urteil auch dahingehend, dass dieser konkrete Zusammenhang eine (sorgfältige) Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls erforderlich macht. Diese Aufgabe obliegt vorrangig dem FG als Tatsacheninstanz.
Die Würdigung des Sachverhalts durch das FG ist, wenn sie möglich ist, für den BFH bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Er ist daran nur dann nicht gebunden, wenn dem FG ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, wenn seine Tatsachenwürdigung unvollständig (lückenhaft) oder in sich widersprüchlich (mit logischem Fehler behaftet) ist oder wenn sie gegen Erfahrungssätze verstößt.
2. Zwei (bedenkenswerte) Passagen der Besprechungsentscheidung seien kurz erwähnt:
Das FG hatte im Einzelnen ausgeführt, dass die Teilnehmerkreise der Veranstaltungen jeweils homogen und die Kongresse lehrgangsmäßig straff organisiert gewesen seien. Das FG hatte sich auch davon überzeugen können (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), dass der Kläger (ein Facharzt) die Kongresse tatsächlich besucht und auch an den vorgesehenen Programmen teilgenommen hatte. Einschränkend hatte das FG allerdings angeführt, dass die Nichtteilnahme an einzelnen Veranstaltungen im Hinblick auf die Begrenztheit der geistigen Aufnahmefähigkeit des Menschen unschädlich sei.
Ferner hatte das FG die Auffassung vertreten, zum Nachweis der tatsächlichen Teilnahme an den Veranstaltungen bedürfe es nicht in jedem Fall eines Anwesenheitsattests. Maßgeblich sei allein, dass die Teilnahme zur Überzeugung des Gerichts feststehe; dies sei hier zu bejahen.
Der BFH hat diese Ausführungen – wohl mit gewissen Bedenken – als (noch) für vertretbar und nachvollziehbar angesehen. Da der BFH im Übrigen seine eigene Würdigung grundsätzlich nicht an die Stelle der Tatsachenwürdigung des FG setzen darf, sind Kläger gut beraten, schon im erstinstanzlichen Verfahren für ordnungsgemäße und vollständige Nachweise zu sorgen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 11.1.2007, VI R 8/05