Leitsatz
1. Nutzen mehrere Steuerpflichtige ein häusliches Arbeitszimmer gemeinsam, kann jeder Nutzende die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer, die er getragen hat, einkünftemindernd geltend machen, sofern die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG in seiner Person vorliegen (Änderung der Rechtsprechung).
2. Der Abzug der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer setzt voraus, dass dem jeweiligen Steuerpflichtigen in dem Arbeitszimmer ein Arbeitsplatz in einer Weise zur Verfügung steht, dass er ihn für seine betriebliche/berufliche Tätigkeit in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen kann.
3. Nutzen Ehegatten bei hälftigem Miteigentum ein häusliches Arbeitszimmer gemeinsam, sind die Kosten jedem Ehepartner grundsätzlich zur Hälfte zuzuordnen.
Normenkette
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b, § 9 Abs. 1, Abs. 5, § 12 Nr. 1 Satz 2, § 52 Abs. 12 Satz 9 EStG
Sachverhalt
Die Kläger die für die Streitjahre (2007 und 2008) als Eheleute zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden, sind Lehrer. Die Klägerin befand sich im Anschluss an die Geburt ihres Sohnes seit Mai 2008 in Mutterschutz bzw. Elternzeit. Die Kläger nutzten gemeinsam ein in ihrem Einfamilienhaus gelegenes häusliches Arbeitszimmer. Das Einfamilienhaus gehörte ihnen jeweils zur Hälfte. Die auf das häusliche Arbeitszimmer entfallenden Kosten betrugen im Streitjahr 2007 2.867 EUR und im Streitjahr 2008 2.763 EUR.
In den Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre berücksichtigte das FA die Kosten für das häusliche Arbeitszimmer als Werbungskosten jeweils nur in Höhe von 1.250 EUR und ordnete diesen Betrag den Klägern je zur Hälfte zu.
Die dagegen erhobene Klage war erfolglos (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.7.2012, 3 K 447/12, Haufe-Index 3295105, EFG 2012, 1997).
Entscheidung
Auf die Revision der Kläger hob der BFH das angefochtene Urteil aus den in den Praxis-Hinweisen ausgeführten Gründen auf und verwies die Sache an das FG zurück. Das FG habe bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob beiden Klägern in dem häuslichen Arbeitszimmer ein eigener Arbeitsplatz zur Verfügung stand. Auch seien Feststellungen zur beruflichen Nutzung des Arbeitszimmers durch die Klägerin nachzuholen. Denn die Klägerin war nach der Geburt ihres Kindes im Streitjahr 2008 zumindest nicht mehr ganzjährig als Lehrerin tätig.
Hinweis
1. Nach den Feststellungen des FG ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG in der Person beider Kläger vorliegen. Die Kosten für das häusliche Arbeitszimmer sind daher in eingeschränktem Umfang als Werbungskosten bei ihren jeweiligen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit abziehbar (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 1 EStG). Weder dem Kläger noch der Klägerin stand als Lehrer und Lehrerin ein anderer Arbeitsplatz für die berufliche Tätigkeit zur Verfügung (BFH, Urteil vom 9.12.2003, VI R 150/01, BFH/NV 2004, 412; BMF, Schreiben vom 2.3.2011, BStBl I 2011, 195, Tz. 17).
2. Nutzen mehrere Steuerpflichtige ein häusliches Arbeitszimmer gemeinsam, kann jeder der Nutzenden seine Kosten einkünftemindernd geltend machen, sofern die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG in seiner Person vorliegen. Dabei kann der jeweilige Höchstbetrag von jedem Nutzer in Anspruch genommen werden (Änderung der Rechtsprechung).
3. Für diese Auslegung sprechen der Wortlaut des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG, die Gesetzessystematik, Sinn und Zweck des Gesetzes. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift steht dem nicht entgegen.
4. Allerdings muss dem jeweiligen Steuerpflichtigen in dem Arbeitszimmer ein Arbeitsplatz in einer Weise zur Verfügung stehen, dass er ihn für seine betriebliche/berufliche Tätigkeit in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen kann (BFH, Urteil vom 26.2.2014, VI R 37/13, BFH/NV 2014, 1138 zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein anderer Arbeitsplatz vorliegt).
5. Nutzen Eheleute bei hälftigem Miteigentum ein häusliches Arbeitszimmer gemeinsam, sind die Kosten jedem Ehepartner grundsätzlich zur Hälfte zuzuordnen. Sind für beide die Voraussetzungen für den begrenzten Abzug gegeben, steht jedem der Abzug in Höhe von maximal 1.250 EUR zu (s. auch BFH, Urteil vom 15.12.2016, VI R 86/13, BFH/NV 2017, 530, Haufe-Index 10310344; Kommentierung s. BFH/PR 2017, 139).
Neue Betrachtungsweise führt zu keiner Betragsverdoppelung
Der Ansatz des Höchstbetrags von 1.250 EUR je Steuerpflichtigem führt weder dazu, dass die Unterscheidung zwischen den Abzugsmöglichkeiten nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 und Satz 3 Halbsatz 2 EStG aufgehoben wird oder ins Leere läuft noch zu einer personalen Verdoppelung des Abzugsbetrags.
6. Der IV. Senat des BFH hat dieser Rechtsprechungsänderung zugestimmt. Er hält an seiner Auffassung, der in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 1 EStG geregelte Höchstbetrag sei je Arbeitszimmer nur einmal und damit mehreren Nutze...