Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
Die Erhebung des unter Umständen noch mangelfreien Istzustandes, beispielsweise die Überprüfung der Funktionsfähigkeit einer Anlage durch einen Handwerker, kann ebenso Handwerkerleistung i.S.d. § 35a Abs. 3 EStG sein wie die Beseitigung eines bereits eingetretenen Schadens oder vorbeugende Maßnahmen zur Schadensabwehr.
Normenkette
§ 35a EStG
Sachverhalt
K beantragte für eine an seinem privat genutzten Wohnhaus durchgeführte Dichtheitsprüfung der Abwasserleitung die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 3 EStG. Das FA lehnte ab, weil eine solche Prüfung mit einer nach Rz. 22 des BMF-Schr. vom 15.2.2010, BStBl I 2014, 75 nicht begünstigten Gutachtertätigkeit vergleichbar sei. Die Klage war erfolgreich (FG Köln, Urteil vom 18.10.2012, 14 K 2159/12, Haufe-Index 4739059).
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG, wie unter den Praxis-Hinweisen erläutert.
Hinweis
§ 35a Abs. 3 Satz 1 EStG gewährt eine ESt-Ermäßigung für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen, wenn diese Leistungen in einem Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden (§ 35a Abs. 4 Satz 1 EStG); begünstigt sind nur die Arbeitskosten (20 %, höchstens 1.200 EUR), nicht die Materialkosten (§ 35a Abs. 5 Satz 2 EStG).
1. Was sind solche Handwerkerleistungen? Dazu gehören grundsätzlich alle Tätigkeiten in der eigenen oder angemieteten Wohnung samt Grundstück, typischerweise das Streichen und Tapezieren in der Wohnung, aber auch Erneuerungen der Bodenbeläge, Fenster, Gas- und Wasserinstallationen sowie – über die eigentliche Wohnung hinaus – Garten- und Wegebauarbeiten (BT-Drucks. 16/643, 10; 16/753, 11). Aber begrenzt ist die Förderung auf Arbeiten "im Haushalt" (dazu BFH, Urteil vom 13.7.2011, VI R 61/10, BFH/NV 2012, 296, BFH/PR 2012, 88; BMF-Schr. Rz. 20); das bedeutet aber nicht "in der Wohnung" (Haushalt als räumlich-funktionaler Begriff, dazu: BFH, Urteil vom 20.3.2014, VI R 56/12, BFH/NV 2014, 1148, BFH/PR 2014, 308). Die Förderung ist auch nicht auf bestimmte Handwerker begrenzt, unabhängig etwa vom Eintrag in die Handwerksrolle; erfasst sind auch Kleinunternehmer, beliehene Unternehmer (Schornsteinfeger) und auch Handwerkerleistungen der öffentlichen Hand (z.B. Hauswasseranschluss: BFH/PR 2014, 308).
2.Hier war für die Dichtheitsprüfung der Wasserleitungen zweifelsfrei ein Handwerker tätig. Damit lag eine steuerbegünstigte Handwerkerleistung vor. Der BFH unterscheidet also nicht "künstlich" zwischen überprüfenden Handwerkerleistungen, die mit dem Ergebnis enden, alles sei in Ordnung, und solchen, bei denen der Handwerker tatsächlich Hand oder Werkzeug anlegt. Im Ergebnis sind damit auch (vorbeugende) Erhaltungsmaßnahmen von der Steuervergünstigung erfasst. Auch wenn der Handwerker eine Bescheinigung "für amtliche Zwecke" ausstellt, bleibt es dennoch eine handwerkliche Leistung; auch vorbeugende Wartungsarbeiten sind begünstigt. Aber beachten Sie: Die Finanzverwaltung will teilweise unterscheiden zwischen begünstigten Handwerkerleistungen, durch die ein Objekt in seinem Zustand beeinflusst (verändert) wird, und nicht begünstigten Leistungen eines Handwerkers (Untersuchungen, Gutachten), die lediglich dazu dienen, den aktuellen Zustand eines Objekts festzustellen; Rz. 22 des BMF-Schr. vom 15.2.2010, BStBl I 2014, 75 schließt alle Mess- oder Überprüfungsarbeiten, wie die Legionellenprüfung, Aufzüge- und Blitzschutzanlagenkontrollen, Feuerstättenschau aus. Hier sollten entsprechende Rechtsmittel geprüft werden. Letztlich beginnt jede Handwerkerleistung mit der Erhebung des Istzustandes; das ist Voraussetzung und Bestandteil der steuerbegünstigten Handwerkerleistung. Der BFH folgte auch dem weiteren Einwand des FA nicht, dass angesichts eines Zwecks der Subventionsnorm, nämlich die Bekämpfung der Schwarzarbeit, solche Handwerkerleistungen nicht zu begünstigen seien, bei denen keine Steuerhinterziehung ("ohne Rechnung") drohe. Umgekehrt gilt: Eine bar bezahlte Handwerkerleistung wird auch dann nicht gefördert, wenn keine Steuerhinterziehung wahrscheinlich ist (Schornsteinfeger wollte Barzahlung, BFH, Beschluss vom 30.7.2013, VI B 31/13, BFH/NV 2013, 1786).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 6.11.2014 – VI R 1/13