Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
Ein Soldat auf Zeit, der für seine spätere Verwendung im Mannschaftsdienstgrad unterwiesen wird, befindet sich in einer Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, solange der Ausbildungscharakter im Vordergrund seiner Tätigkeit steht.
Normenkette
§§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und c, 32 Abs. 4 Satz 2, 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 2 EStG, § 2 BKV
Sachverhalt
K bezog für ihren Sohn zunächst Kindergeld. Der hatte seine Schulausbildung im Juli 2009 beendet, war aber nicht arbeitslos gemeldet. Erst im Januar 2010 nahm er am Einstellungsverfahren der Bundeswehr teil und wurde dort ab April 2010 als Soldat auf Zeit (Dienstgrad Schütze) für vier Jahre eingestellt. Schon da war seine Verwendung als Kraftfahrer der Fahrerlaubnisklasse CE vorgesehen, die eine abgeschlossene Grundausbildung mit anschließender Kraftfahrgrundausbildung samt erfolgreich bestandener Fahrerlaubnis-Prüfung (Klasse CE) erfordert. Ks Sohn durchlief diese Ausbildung, erwarb dann eine Lkw- und Kraftfahrerlaubnis CE und war dann bei der Bundeswehr als Kraftfahrer tätig. Die Kindergeldkasse hob die Kindergeldfestsetzung für August 2009 bis Mai 2010 mangels Vorliegens einer Ausbildung auf und forderte das Kindergeld zurück. Die Klage blieb erfolglos (FG Münster, Urteil vom 12.8.2011, 14 K 4025/10 Kg, Haufe-Index 2754147, EFG 2012, 415).
Entscheidung
Der BFH hob aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Erwägungen die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Hinweis
Der Besprechungsfall behandelt eine für das Kindergeldrecht typische Frage: Befindet sich das Kind in Berufsausbildung oder bemüht es sich jedenfalls ernsthaft um einen Ausbildungsplatz?
1. Ein Kindergeldanspruch besteht u.a. dann, wenn das Kind für einen Beruf ausgebildet wird. Die in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG vorausgesetzte Berufsausbildung ist ein eigenständiger Begriff und grundsätzlich weit auszulegen (BFH, Urteil vom 2.4.2009, III R 85/08, BFH/NV 2009, 1502, BFH/PR 2009, 426). Auch Soldaten können sich in Berufsausbildung befinden. Das Besprechungsurteil verweist insoweit auf BFH-Urteile zur Ausbildung von Unteroffizieren und Offizieren. Diese Grundsätze werden hier nun auch auf Zeitsoldaten angewandt. Deshalb kommt der BFH zu dem Ergebnis: Das Kind befand sich jedenfalls seit April 2010 in einer Berufsausbildung. Denn es durchlief Ausbildungsabschnitte, die für seine Verwendung als Kraftfahrer notwendig waren, nämlich die allgemeine Grundausbildung und die daran anschließende Dienstpostenausbildung samt Abschluss durch Ks Sohn mit der beruflichen Qualifikation als Berufskraftfahrer.
2. Für die Zeit Januar bis März 2010 kam § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG als Grundlage für einen Kindergeldanspruch zur Anwendung. Denn wenn sich das Kind noch nicht in Ausbildung befindet, kann es berücksichtigt werden, wenn es sich ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG, dazu BFH, Urteil vom 22.9.2011, III R 35/08, BFH/NV 2012, 232, m.w.N.). Davon ging der BFH aus. Denn spätestens mit dem Einstellungsverfahren zur Bundeswehr im Januar 2010 war von einem ernsthaften Bemühen um einen Ausbildungsplatz auszugehen.
3. Das war die Beurteilung des BFH auf Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts. Allerdings hatte das FG noch nicht festgestellt, ob sich Ks Sohn möglicherweise schon früher durch weitere Maßnahmen ernsthaft um seinen Ausbildungsplatz bei der Bundeswehr bemüht hatte. Diese Feststellungen wird das FG nun im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben. Dazu verwies der BFH auch gleich auf die Rechtsprechung, dass dieses Bemühen grundsätzlich glaubhaft zu machen ist (BFH, Urteil vom 19.6.2008, III R 66/05, BFH/NV 2008, 1740, BFH/PR 2008, 464).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 10.5.2012 – VI R 72/11