Leitsatz
1. Der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der privaten Vermögenssphäre führt nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG (Anschluss an BFH-Urteil vom 24.10.2017 ‐ VIII R 13/15, BFHE 259, 535, BStBl II 2020, 831).
2. Für die Berücksichtigung des Verlusts aus dem Ausfall einer privaten Kapitalforderung muss endgültig feststehen, dass der Schuldner keine (weiteren) Zahlungen mehr leisten wird. Bei insolvenzfreier Auflösung einer Kapitalgesellschaft als Forderungsschuldnerin kann davon regelmäßig erst bei Abschluss der Liquidation ausgegangen werden, sofern sich nicht aus besonderen Umständen ausnahmsweise etwas anderes ergibt.
Normenkette
§ 17 Abs. 4, § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG
Sachverhalt
Die Kläger, Eheleute, gewährten einer GmbH, deren alleiniger Gesellschafter (und Geschäftsführer) der Ehemann war, sukzessive diverse Darlehen. 2014 beschlossen sie, die GmbH aufzulösen. Die Darlehen waren zu diesem Zeitpunkt nur teilweise zurückgeführt. Kurz vor Abschluss der Liquidation zahlten sich die Kläger von dem Erlös 277 EUR aus; die Löschung der GmbH wurde im April 2016 eingetragen. Das FA erkannte nur einen geringen Teil der Darlehensausfälle bei § 17 EStG an. Erst im Klageverfahren machten die Kläger weitere Forderungsausfälle bei § 20 EStG geltend. Das FG hat der Klage antragsgemäß stattgegeben (FG Düsseldorf, Urteil vom 28.1.2020, 10 K 2166/16 E, Haufe-Index 13729434, EFG 2020, 444).
Entscheidung
Auf die Revision des FA hat der BFH das Urteil des FG bestätigt, soweit es die Klägerin betrifft (Verluste gemäß § 20 Abs. 2 EStG, schon 2014 abziehbar trotz noch nicht abgeschlossener Liquidation). Zugleich hat er das Urteil aufgehoben, soweit es den Kläger betrifft, und dessen Klage als unzulässig abgewiesen. Der Kläger könnte sein Begehren allerdings im Rücktragsjahr weiterverfolgen.
Hinweis
Die mit dem Besprechungsfall vielfach verbundene Erwartung, der BFH werde erstmals grundlegend klären, ob und inwieweit Forderungsausfälle, die bei § 17 EStG nicht berücksichtigt werden, gleichwohl bei § 20 EStG zu berücksichtigen sind und wie das Verhältnis der beiden Vorschriften zueinander ist, ist enttäuscht worden. Der BFH konnte dazu nicht Stellung nehmen, denn die Klage des Klägers, der Alleingesellschafter und Geschäftsführer der GmbH war, erwies sich als unzulässig. Für die Klägerin stellten sich diese Fragen nicht, da sie nicht an der GmbH beteiligt war. Dennoch enthält das Urteil einige wichtige und grundlegende Ausführungen.
1. Soweit ein Nichtgesellschafter einer GmbH ein Darlehen gewährt und mit dem Rückzahlungsanspruch ausfällt, entsteht nach der Rechtsprechung des VIII. Senats ein steuerbarer Verlust i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG. Dieser Rechtsprechung schließt sich der 9. Senat ausdrücklich an (Leitsatz 1).
a) Die Einkünfteerzielungsabsicht wird dabei widerleglich vermutet. Höchstrichterlich noch nicht geklärt ist, unter welchen Umständen die Vermutung widerlegt wäre, denn der BFH hat die Feststellungen und Schlussfolgerungen des FG, soweit es die Vermutung als nicht widerlegt angesehen hat, aus tatsächlichen Gründen bestätigt.
b) Problematischer war der Zeitpunkt des Forderungsverlusts:
aa) Denkbar wäre, insoweit auf die Rechtsprechung zu § 17 Abs. 4 EStG abzustellen, die insbesondere in Liquidationsfällen die Verlustrealisation regelmäßig erst mit dem Abschluss der Liquidation bejaht. Dieser Idee, der sich auch die Vorinstanz angeschlossen hatte, hat der BFH indes aus systematischen Gründen eine Absage erteilt. Bei § 20 Abs. 2 EStG geht es, anders als bei § 17 Abs. 4 EStG, nicht um eine auf den Realisationszeitpunkt bezogene Stichtagsbewertung, sondern um den Ausfall der einzelnen Forderung. Die Maßstäbe des § 17 EStG sind insoweit nicht übertragbar.
bb) Der bisherigen Rechtsprechung (zu § 20 Abs. 2 EStG) ließ sich nur entnehmen:
- Es muss endgültig feststehen, dass keine weiteren Zahlungen mehr zu erwarten sind.
- Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens reicht in der Regel nicht aus. Anders ist dies, wenn diese mangels Masse abgelehnt worden ist.
- Die Endgültigkeit des Ausfalls kann sich auch aus anderen Gründen ergeben.
Der Besprechungsfall geht nur wenig darüber hinaus; Satz 2 des zweiten Leitsatzes gibt insofern den vom 9. Senat neu aufgestellten Grundsatz vollständig wieder:
- Im Fall der insolvenzfreien Liquidation kommt es grundsätzlich auf deren Abschluss an,
- es sei denn, dass sich aus besonderen Umständen des Falles etwas anderes ergibt.
Solche besonderen Umstände hat der BFH auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG im Besprechungsfall bejaht. Zwar hatten sich die Kläger kurz vor dem Abschluss der Liquidation noch 277 EUR ausgezahlt (vorrangig verrechnet auf Zinsen und Kosten). Gleichwohl habe das FG davon ausgehen können, dass mit einer Darlehensrückzahlung schon bei Eröffnung des Liquidationsverfahrens nicht mehr zu rechnen gewesen sei, denn ...