Leitsatz
1. Ist eine Erklärung ihrem buchstäblichen Sinn nach eindeutig, so kann sich der Erklärungsempfänger im Allgemeinen darauf verlassen und muss nicht prüfen, ob der Erklärende das, was er erklärt hat, wirklich gemeint hat.
2. Der Grundsatz, dass von dem Empfänger einer Erklärung verlangt wird, diese unter Berücksichtigung der ihm bekannten Umstände so zu verstehen, wie der Erklärende sie meint, gilt nicht ungeachtet der Umstände des Einzelfalls und bereichstypischer besonderer Gegebenheiten, insbesondere der für den Erklärenden erkennbaren Interessen des Erklärungsempfängers, dass die ihm gegenüber abgegebenen Erklärungen klar und eindeutig sind und keiner Auslegung anhand außerhalb der Erklärung selbst liegender Umstände bedürfen.
3. Das Abfertigungszollamt kann sich grundsätzlich darauf verlassen, dass derjenige Ausführer sein soll, der in Feld 2 der Ausfuhranmeldung mit Firmenbezeichnung und Anschrift angegeben ist. Ist die dabei vorgelegte Ausfuhrlizenz mit Vorausfestsetzung der Erstattung einem anderen erteilt, so ist nicht die Angabe in der Ausfuhranmeldung von Amts wegen zu korrigieren, sondern die Anmeldung zurückzuweisen.
Normenkette
Art. 2 Abs. 1 Buchst. i, Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1, Art. 5, Art. 49 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 800/1999, § 15 AusfErstV 1996, Art. 65 ZK
Sachverhalt
Für eine Sendung Weißzucker hatte die Fa. R im Mai 2001 eine Ausfuhranmeldung eingereicht. In dieser Anmeldung war im Feld 2 "Versender/Ausführer" die Fa. S und im Feld 14 "Anmelder/Vertreter" R eingetragen. In der Anmeldung wurde ferner auf eine Ausfuhrlizenz Bezug genommen; Inhaber dieser Lizenz war die Klägerin.
Das Ausfuhrzollamt nahm die Anmeldung an und schrieb die Ware auf der vorgenannten Lizenz ab. Die Erstattungsstelle hat jedoch den Ausfuhrerstattungsantrag der Klägerin abgelehnt, weil diese in der Ausfuhranmeldung nicht als Ausführer bezeichnet worden sei.
Entscheidung
Die Klägerin hat keinen Erstattungsanspruch. Dieser steht nicht demjenigen zu, der Inhaber der Ausfuhrlizenz ist, sondern demjenigen, der die Ausfuhranmeldung abgegeben hat. Diese ist jedenfalls im Streitfall nicht dahin auslegungsfähig, dass die in ihr nicht als Ausführer benannte Klägerin sie abgeben hat.
Hinweis
Ausführer ist, wer die in Art. 5 VO Nr. 800/1999 vorgeschriebene Ausfuhranmeldung abgegeben und damit erklärt hat, die betreffende Ware unter Inanspruchnahme von Ausfuhrerstattung ausführen und die damit zusammenhängenden Pflichten erfüllen zu wollen. Der Inhaber oder ggf. der Übernehmer der i.d.R. bei der Ausfuhr vorzulegenden Lizenz ist nicht unabhängig von der Abgabe der Ausfuhranmeldung Inhaber des Anspruchs auf die Erstattung.
Eine Ausfuhranmeldung ist freilich grundsätzlich auslegungsfähig, wenn sie auslegungsbedürftig ist. Der Auslegung von Namen, Ortsangaben und dergleichen sind aber im Allgemeinen von vornherein enge Grenzen gesetzt, weil es solche Angaben an sich haben, meistens eindeutig zu sein. Wird einem Erklärungsempfänger gegenüber eine Erklärung abgegeben, als deren Urheber A angegeben ist, so muss und kann der Erklärungsempfänger deshalb im Allgemeinen nicht A, sondern B als Urheber dieser Erklärung ansehen.
Das gilt auch dann, wenn mit der Ausfuhranmeldung eine Ausfuhrlizenz vorgelegt wird, die nicht dem in jener benannten Ausführer, sondern einem Dritten das Ausfuhrrecht gibt. Überhaupt kann in einem Verfahren wie dem Ausfuhrverfahren im Allgemeinen von der Zollstelle nicht verlangt werden, dass sie nicht das ihr Erklärte zugrunde legt, sondern die Vielzahl der ihr vorgelegten Unterlagen zusammenfassend würdigt und anhand ihrer eine korrigierende Auslegung der Erklärungen in der Ausfuhranmeldung vornimmt.
Man kann darüber hinaus Zweifel haben, ob § 15 der nationalen Ausfuhrerstattungsverordnung nicht im Hinblick auf die Angabe des Ausführers in der Ausfuhranmeldung gleichsam ein Auslegungsverbot aufstellt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 12.12.2006, VII R 25/05