Leitsatz
1. Die in der Ausfuhranmeldung enthaltenen Angaben sind bei der Entscheidung über die Gewährung von Ausfuhrerstattung zugrunde zu legen, wenn keine Überprüfung der Anmeldung stattgefunden hat.
Das Gleiche gilt, wenn die Überprüfung der Anmeldung unter Missachtung der verordnungsrechtlichen Anforderungen an eine Überprüfung der Ausfuhrsendung vorgenommen worden ist; der Ausführer ist dann so zu behandeln, als hätte eine Überprüfung seiner Anmeldung überhaupt nicht stattgefunden.
2. Der Ausführer hat ungeachtet seiner Ausfuhranmeldung seine Angaben zu beweisen, sofern die Zollbehörde Anhaltspunkte dafür hat, dass sie unzutreffend sein könnten; er hat im Fall deren Nichterweislichkeit die Feststellungslast zu tragen.
Diese Nachweispflicht wird jedoch nicht durch jeden Umstand ausgelöst, der in irgendeiner Weise einen Anhalt dafür bietet, die Angaben des Ausführers könnten nicht zutreffend sein; nach erklärungsgemäßer Abfertigung einer Ausfuhrsendung ohne vorschriftsgemäße Beschau kann die Richtigkeit der Angaben des Erstattungsantragstellers nur dann mit Erfolg in Frage gestellt werden, wenn Umstände vorliegen, welche ernstliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben rechtfertigen.
3. Lässt das einschlägige Recht zu, dass 10 % der Einheiten einer Ausfuhrsendung bestimmte Fehler aufweisen, ohne dass der Ausführer deshalb seinen Erstattungsanspruch verliert, ergeben sich ernstliche Zweifel an der Einhaltung dieser Fehlertoleranz nicht daraus, dass beide aus der Sendung gezogenen Proben solche Fehler aufwiesen, wenn nach Maßgabe des Verordnungsrechts 80 Proben hätten gezogen und untersucht werden müssen.
Normenkette
Art. 13 Abs. 1 VO Nr. 3665/87, Art. 6 und 7 VO Nr. 1538/91, Art. 70, 71 Abs. 2 ZK
Sachverhalt
Mehrere Tausend tiefgefrorene Hähnchen waren ausgeführt worden. Hierfür wird Ausfuhrerstattung gewährt, wenn die Vorschriften einer Vermarktungsverordnung eingehalten sind. Diese verlangt, dass die Schlachtkörper keine offenen Knochenbrüche aufweisen, lässt allerdings insofern weitgehende Toleranzen zu.
Dementsprechend verlangt sie, dass bei einer Beschau ein bestimmter Prozentsatz von Proben genommen wird, um die Einhaltung der Toleranzen feststellen zu können.
Das ZA hatte den zwei Sendungen nur je ein Hähnchen als Probe und eine Rückstellprobe entnommen. Drei der untersuchten Hähnchen wiesen offene Brüche auf, eines nicht.
Entscheidung
Der BFH hat das HZA verurteilt, die beantragte Erstattung in vollem Umfang zu gewähren. Die Nichterweislichkeit der Erstattungsvoraussetzungen beruhe auf einer Missachtung der Beschauvorschriften bzw. einer ungeeigneten Probeentnahme; deren Folgen dürften nicht zulasten des Ausführers gehen.
Hinweis
1. Dieser Entscheidung vorausgegangen ist eine Vorabentscheidung des EuGH (Urteil vom 7.9.2006, Rs. C-353/04, ZfZ 32006, 349). Danach ist Art. 70 ZK zwar grundsätzlich anzuwenden, wenn es um die Feststellung geht, ob ein Erzeugnis, für das eine Ausfuhrerstattung beantragt wird, von "gesunder und handelsüblicher Qualität" ist (Erstattungsvoraussetzung!). Die Beschaffenheitsfiktion des Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK tritt aber dann nicht ein, wenn die entnommene Stichprobe keinen ausreichenden Umfang hat, um feststellen zu können, ob die Ware die erforderliche Beschaffenheit hat.
2. Konsequenz: Sind bei einer Warengattung großzügig Abweichungen von der erwünschten Beschaffenheit zugelassen (hier: bei mehreren Prozent der Einzelstücke), müssen entsprechend viele Proben untersucht werden.
3. Was aber, wenn dies unterlassen worden ist und nicht mehr nachgeholt werden kann und sich die Beschaffenheit der Ware auch nicht mit anderen Beweismitteln feststellen lässt? Der EuGH hat diese schwierige Frage zu beantworten dem BFH überlassen und nur sybillinisch bemerkt, das Verhalten des Ausführers und dasjenige der Zollbehörden sei in der Weise zu würdigen, dass festgestellt wird, inwieweit sie jeweils ihre Rechte ausgeübt und ihre Verpflichtungen erfüllt haben.
4. Der BFH hat dies im Ergebnis dahin getan, dass er die Zollbehörde für die Beweisnot verantwortlich gemacht hat, obwohl grundsätzlich der Ausführer die Beweislast für die Beschaffenheit der Ausfuhrware trägt. Das ist nicht unproblematisch; denn die Behörde hat zwar nicht ordnungsgemäß verprobt und hätte die Beweisnotlage vermeiden können, sie hätte aber überhaupt keine Proben ziehen müssen! Kann ihr dann zum Nachteil gereichen, dass ihr Verprobungs-Versuch fehlgeschlagen ist? Der BFH hat das angenommen, was sicher nicht unwesentlich auf den Besonderheiten des Falls beruht und keine verallgemeinernden Schlüsse hervorrufen sollte.
5. Die Unverwertbarkeit der Probenentnahme löst nämlich zunächst die Rechtsfolge aus, dass die Angaben des Beteiligten als richtig zugrunde zu legen sind, so wie wenn überhaupt keine Beschau stattgefunden hätte. Im Ausfuhrerstattungsrecht wird dem Ausführer durch diese Fiktion der Richtigkeit seiner Angaben die (materielle) Beweislast freilich nicht abgenommen. Sie wird aber nur bedeutsam, wenn – so der BFH – ernst...