Leitsatz

1. Ist bei der Entscheidung über die Gewährung von Ausfuhrerstattung von der ordnungsgemäßen Vorlage einer Ausfuhrlizenz gem. Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen auszugehen, wenn die Ausfuhrzollstelle die Ausfuhranmeldung ohne Vorlage der Lizenz angenommen hat, dem Ausführer dabei gestattet hat, die Lizenz binnen einer bestimmten Frist nachzureichen, und dieser dem nachgekommen ist?

2. Sofern diese Frage zu verneinen ist: Verlangt Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen zwingend die Vorlage der Ausfuhrlizenz schon bei der Abgabe der Ausfuhranmeldung oder reicht es aus, wenn der Ausführer eine (ihm vor der Ausfuhr erteilte) Ausfuhrlizenz erst im Zahlungsverfahren vorlegt?

3. Kann der Ausführer, der zunächst gefälschte Zolldokumente für die Ankunft der Ausfuhrware im Bestimmungsland vorgelegt hat, gültige Zolldokumente noch nach Ablauf der für die Vorlage in der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen festgelegten Fristen anspruchswahrend vorlegen, wenn die verspätete Vorlage die Abwicklung des Zahlungsverfahrens nicht verzögert oder behindert hat, weil der Erstattungsantrag zunächst aus anderen Gründen als der fehlenden Vorlage solcher Ankunftsnachweise abgelehnt worden ist und diese vorgelegt werden, nachdem die Fälschung jener Dokumente erkannt worden ist?

4. Ist eine Sanktion gem. Art. 51 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen auch dann verwirkt, wenn die beantragte Ausfuhrerstattung zwar der tatsächlich zu gewährenden entspricht, der Ausführer aber im Zahlungsverfahren zunächst Dokumente vorgelegt hat, aufgrund derer ihm Ausfuhrerstattung nicht hätte gewährt werden können?

 

Normenkette

Art. 4 Nr. 5 ZK, Art. 255 Abs. 1, Art. 280 Abs. 4 ZKDVO, Art. 4 Abs. 1, Art. 51 Abs. 1 VO (EG) Nr. 800/1999, Art. 24 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1291/2000

 

Sachverhalt

Ein Unternehmen hat 2002 Fetakäse zur Ausfuhr unter Gewährung von (differenziert festgesetzter) Ausfuhrerstattung angemeldet. Es hat dabei auf eine von dänischen Behörden ausgestellte Lizenz hingewiesen, diese jedoch nicht mit der Ausfuhranmeldung vorgelegt. Das deutsche Ausfuhrzollamt hat ihr deshalb nach Beschau eine "Vorlagefrist" von einer Woche gewährt. Als die Lizenz, welche bereits vor Abgabe der Ausfuhranmeldung ausgestellt worden war, innerhalb dieser Frist vorgelegt wurde, hat das Zollamt die Ware auf ihr abgeschrieben. Das HZA hat jedoch den Zahlungsantrag der Klägerin abgelehnt, weil die Ausfuhr ohne gültige Lizenz erfolgt sei. Die Voraussetzungen für eine nachträgliche Vorlage der Lizenz hätten nicht vorgelegen.

Das HZA hat ferner eine Sanktion angefordert, nachdem das Unternehmen zunächst zum Nachweis der Erfüllung der Zollförmlichkeiten in dem Bestimmungsland (Jugoslawien/Kosovo) ein gefälschtes Zolldokument vorgelegt hatte, das erst im Verlauf des weiteren Verwaltungsverfahrens durch ein echtes Dokument ersetzt worden ist.

Die gegen die Ablehnung des Erstattungsantrages und den Sanktionsbescheid erhobene Klage war vor dem FG erfolglos geblieben (FG Hamburg, Urteil vom 27.10.2011, 4 K 226/08, Haufe-Index 2882696).

 

Entscheidung

Der BFH hat dem EuGH die eingangs genannten Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (Art. 267 AEUV).

 

Hinweis

1. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Verordnung Nr. 800/1999 gibt erst bei Vorlage einer Ausfuhrlizenz einen Er­stattungsanspruch; diese ist also unabdingbare Voraussetzung für das Bestehen eines solchen. Die Vorschrift verlangt deshalb, dass der Erstattungsantragsteller der Erstattungsbehörde eine solche Lizenz vorlegt. Darüber hinaus verlangt Art. 24 Abs. 2 Verordnung Nr. 1291/2000, dass das Exemplar Nr. 1 der Lizenz bei der Annahme der Anmeldung für die Ausfuhr der Zollstelle vorgelegt wird.

Das war im Besprechungsfall nicht geschehen. Der Exporteur besaß zwar im Zeitpunkt der Abgabe der Ausfuhranmeldung und der Ausfuhr der Waren bereits eine Ausfuhrlizenz, diese war aber offenbar dort nicht verfügbar, wo er die Ausfuhranmeldung abgeben wollte. Verlangt aber Art. 4 Abs. 1 Verordnung Nr. 800/1999 mehr, als dass der Exporteur im Zeitpunkt der Abgabe der Ausfuhranmeldung eine gültige Lizenz besitzt (mag er diese auch erst im Verfahren der Festsetzung einer Ausfuhrerstattung vorlegen)?

2. Ist die Entscheidung der Ausfuhrzollstelle, die Ausfuhranmeldung ungeachtet der fehlenden Vorlage der Ausfuhrlizenz mit der Auflage anzunehmen, dass diese nachgereicht wird, für die Entscheidung der Erstattungsbehörde über die Gewährung von Ausfuhrerstattung verbindlich? Ist die Erstattungsbehörde aufgrund einer solchen Entscheidung der Ausfuhrzollstelle also daran gebunden, dass die lizenzrechtlichen Voraussetzungen der Gewährung von Ausfuhrerstat...

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