OFD Hannover, Verfügung v. 15.4.2005, S 2700 - 2 - StO 241
1. Zivilrechtliche Beurteilung
1.1 Gründungstheorie
Nach der Gründungstheorie bestimmt sich der Status einer Gesellschaft grundsätzlich nach dem Recht des Staates, in dem sie unter Beachtung der dort geltenden Formvorschriften rechtswirksam gegründet worden ist. Diese einmal erworbene Rechtsfähigkeit geht auch dann nicht verloren, wenn die Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz (Ort der Geschäftsleitung) zunächst im Gründungsstaat hat, ihn aber anschließend in ein anderes Land verlegt.
Die Gründungstheorie ist vor allem weit verbreitet in den anglo-amerikanischen und sozialistischen Rechtskreisen.
1.2 Sitztheorie
Abweichend von der Gründungstheorie knüpft das deutsche Internationale Privatrecht bei der Beurteilung der Rechtsfähigkeit von ausländischen Gesellschaften, die den tatsächlichen Verwaltungssitz in das Inland verlegen, an die Rechtsordnung an, die am Verwaltungssitz gilt (Sitztheorie).
Verlegt also eine ausländische Kapitalgesellschaft, die nach dem Recht ihres Gründungsstaates Rechtsfähigkeit besitzt, ihren tatsächlichen Verwaltungssitz nach Deutschland, so besteht sie nur dann als rechtsfähige, juristische Person weiter, wenn das am bisherigen Sitz geltende Recht die Sitzverlegung zulässt und die Kapitalgesellschaft die Bedingungen erfüllt, an die das deutsche Recht die Rechtsfähigkeit knüpft. Eine Gesellschaft mit Sitz in Deutschland muss deshalb nach deutschem Recht gegründet sein, um hier als rechtsfähig anerkannt werden zu können.
2. Steuerrechtliche Beurteilung
2.1 Nach dem Recht eines Staates außerhalb der EU gegründete Gesellschaft
Die fehlende Rechtsfähigkeit im Inland schließt die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht nicht aus. Die Körperschaftsteuerpflicht kann sich in diesen Fällen aus § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG i.V.m. § 3 Abs. 1 KStG ergeben.
Zur Feststellung der Körperschaftsteuerpflicht einer Gesellschaft, die ihren statuarischen Sitz im (Nicht-EU-)Ausland und ihren Verwaltungssitz im Inland hat, ist wie folgt zu verfahren:
2.2 Typenvergleich
In einem ersten Schritt ist ein Typenvergleich vorzunehmen, bei dem festzustellen ist, ob die Unternehmensform einer der in § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 KStG aufgeführten Körperschaftsteuersubjekte entspricht.
Bei dem Typenvergleich ist eine Gesamtwürdigung der maßgebenden ausländischen Bestimmungen über die Organisation und die Struktur der Gesellschaft vorzunehmen. Nicht entscheidend ist dagegen die Gestaltung der inneren Verhältnisse der Gesellschaft im Einzelfall, etwa die Anzahl der Gesellschafter oder Anteilseigner und deren tatsächliches Verhalten, solange sie nur als Vertreter der Gesellschaft auftreten.
Der Typenvergleich ist nur ein formaler Vergleich der Gesellschaftsformen.
2.3 Einkünftezurechnung
In einem zweiten Schritt ist zu untersuchen, ob die Einkünfte auch tatsächlich der Gesellschaft zugerechnet werden können. Hierfür können folgende Gesichtspunkte sprechen:
- Bei inländischem Grundstückseigentum ist die Gesellschaft und nicht deren Gesellschafter im Grundbuch eingetragen.
- Die Gesellschaft tritt im Geschäftsverkehr nach außen immer im eigenen Namen auf.
- Soweit Anteilseigner auftreten, handeln diese stets ausdrücklich und erkennbar im Namen der Gesellschaft.
- Alle maßgebenden Verträge sind unter Beachtung der vorstehenden Gesichtspunkte abgeschlossen worden.
Ausländische Gesellschaften mit Geschäftsleitung im Inland, die mit deutschen Körperschaftsteuersubjekten vergleichbar sind und denen die Einkünfte unmittelbar zuzurechnen sind, unterliegen danach im Inland der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht.
2.4 Nach dem Recht eines Mitgliedstaates der EU gegründete Gesellschaften
Der in Deutschland vertretenen Sitztheorie ist der EuGH mit seinen Urteilen vom 9.3.1999 „Centros” (, GmbHR 1999 S. 474, DB 1999 S. 625), vom 5.11.2002 „Überseering” (, GmbHR 2002 S. 1137, DB 2002 S. 2425) und vom 30.9.2003 „Inspire Art” (, GmbHR 2003 S. 1260) entgegen getreten. Die Urteile führen zur Anwendung der Gründungstheorie. Danach erlangt eine Gesellschaft Rechtsfähigkeit, wenn sie nach dem Recht eines Mitgliedstaates der EU wirksam gegründet wurde. Die anderen Mitgliedstaaten haben diese Gründung anzuerkennen und die Gesellschaft auch in ihrem Land als rechtsfähig zu behandeln. Entsprechende Kapitalgesellschaften sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig.
3. Ausprägung der Limited englischen Rechts
(Von der OFD Karlsruhe übernommen)
3.1 Gründung
Die Gründer müssen die Gesellschaft beim registrar of companies im Companies House in London, Cardiff oder Edinburgh unter Angabe des Gesellschaftssitzes anmelden. Jede in England registrierte Ltd. ist verpflichtet, in England ein registered office zu unterhalten. Wird der tatsächliche Verwaltungssitz im Anschluss nach Deutschland verlegt, handelt es sich hierbei (nur) um eine Büroadresse ohne wesentliche eigene Funktion. Geschäftsunterlagen wie ein Verzeichnis der Gesellschafter, ein Verzeichnis der Geschäftsführer, ein Ve...