Dr. Hubertus Gschwendtner
Leitsatz
Die Tätigkeit als Fremdsprachenassistentin, die darin besteht, in Frankreich an einer Schule Deutschunterricht zu erteilen, ist bei einem Kind, das ein Studium der Politikwissenschaft aufnehmen will, nicht als Teil der Berufsausbildung anzusehen (Abgrenzung zum BFH, Urteil vom 14.1.2000, VI R 11/99, BStBl II 2000, 199).
Normenkette
§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und Buchst. c EStG
Sachverhalt
Die volljährige Tochter T der Klägerin bewarb sich nach dem Ende ihrer Schulausbildung um ein Studienplatz im Studiengang Politikwissenschaft für das Wintersemester 1997/98. Da sie zur persönlichen Einschreibung nicht erschienen war, wurde der Studienplatz an einen anderen Bewerber vergeben. T hielt sich zu dieser Zeit in Frankreich auf, wo sie ab dem 1.10.1997 bis zum 15.5.1998 als Fremdsprachenassistentin französischen Schülern Deutschunterricht gab. Eine vorzeitige Beendigung dieser Tätigkeit war nicht möglich.
Der Beklagte setzte daraufhin das Kindergeld ab November 1997 auf 0 DM fest, weil T den angebotenen Studienplatz nicht angenommen habe. Der Einspruch der Klägerin, mit dem sie geltend machte, der Zulassungsbescheid für T sei erst am 9./10.10.1997 zugegangen, so dass es ihr praktisch unmöglich gewesen sei, sich einzuschreiben, blieb ohne Erfolg.
Entscheidung
FG (EFG 2000, 221) und BFH bestätigten die Beurteilungen des Beklagten. Die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2c EStG seien nicht erfüllt, wenn das Kind einen vorhandenen Ausbildungsplatz nicht besetze. Der Beginn oder die Fortsetzung dürfe nicht an anderen Umständen als der Verfügbarkeit des Ausbildungsplatzes scheitern. So aber liege der Fall hier hinsichtlich des Auslandsaufenthalts.
Die Tätigkeit als Fremdsprachenassistent(in) im Ausland sei regelmäßig nicht Teil der Berufsausbildung. So liege der Fall bei einem angestrebten Studium der Politikwissenschaften auch hier; die Voraussetzungen für einen anzuerkennenden Sprachaufenthalt seien nicht gegeben. Der Sachverhalt sei nicht mit dem im Urteil des BFH vom 14.1.2000, VI R 11/99 (BStBI II 2000, 199) entschiedenen Fall vergleichbar, in dem die Tätigkeit eines Anglistikstudenten als Fremdsprachenassistent von der Rechtsprechung als eine Maßnahme der Berufsausbildung angesehen worden sei; denn dort habe diese Tätigkeit nicht nur der sprachlichen, sondern auch der pädagogischen Ausbildung des Studenten für den angestrebten Lehrberuf gedient.
Hinweis
Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2c EStG wird ein Kind beim Familienleistungsausgleich berücksichtigt, wenn es seine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Die Vorschrift soll Kinder, die einen Ausbildungsplatz suchen den Kindern beim Kindergeld gleichstellen, die einen solchen bereits haben. Voraussetzung ist deshalb, dass kein Arbeitsplatz verfügbar ist; die Vorschrift ist nicht anwendbar, wenn das Kind aus anderen Gründen am Antritt der Ausbildung verhindert ist.
Im Streitfall war zu klären, ob der Deutschunterricht, den eine Schülerin an einer französischen Schule vor ihrem Studienantritt hielt, sie daran hinderte, einen verfügbaren Studienplatz zu besetzen und – sollte das nicht der Fall sein – ob der Auslandsaufenthalt schon Teil der Berufsausbildung war.
Da ein Ausbildungsplatz objektiv vorhanden und die Schülerin hierfür objektiv geeignet war, war die erste Frage zu verneinen. Und auch die zweite. Denn an Auslandsaufenthalte stellt der BFH – soweit es sich nicht um anerkannte Formen der Berufsausbildung handelt (wie Studien- oder Collegeaufenthalte) – verhältnismäßig hohe Anforderungen, wenn sie als Berufsausbildung anerkannt werden sollen. Der Aufenthalt muss von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet werden, der den Schluss auf eine hinreichend gründliche Sprachausbildung zulässt (zu Au-pair-Aufenthalten vgl. BFH, Urteil vom 19.2.2002, VIII R 83/00, BFH-PR 2002, 288). Daran fehlte es hier.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 15.7.2003, VIII R 79/99